Die Initianten der Vollgeld-Initiative wollen die Spielregeln des dualen Bankensystems ändern. Sie argumentieren, dass damit das Geld auf den Bankkonten sicher sein wird, auch wenn die Bank pleitegeht.
Forderungen der Initianten
Mit der Annahme der Initiative soll es weniger Spekulationsblasen oder Finanzkrisen geben und die Geldschöpfungsgewinne sollen wieder der Allgemeinheit zugeführt werden. Die Banken sollen zu Geldvermittlern werden und kein Geld mehr erzeugen dürfen. «Echte Franken für alle» – so lautet die vereinfachte Botschaft der Initianten. Einige dieser Pauschalaussagen gehören in die Kategorie der Halbwahrheiten und müssen genauer unter die Lupe genommen werden. Dieser Beitrag soll zunächst klären, welches und wessen «Geld» sicher werden soll.
Notenbankgeldmenge und Geldschöpfung der Banken
Einfacher zu verstehen ist die auf den ersten Blick komplexe Vorlage, wenn man sich mit den Geldbegriffen etwas näher auseinandersetzt: Grundsätzlich besteht das von den Notenbanken geschaffene Geld aus den vom Publikum gehaltenen Noten und Münzen und den Giroguthaben der Banken bei der Notenbank. Die aus diesen beiden Komponenten bestehende Geldmenge wird als Notenbankgeldmenge, monetäre Basis oder M0 bezeichnet. Sie kann von der Notenbank, in unserem Fall der SNB, durch Devisen- und Wertpapierkäufe sowie durch die Zinssätze gesteuert, aber nicht direkt beeinflusst werden. Die SNB hat die Notenbankgeldmenge durch die Interventionen gegen die Aufwertung des Frankens bzw. mit dem Kauf von Fremdwährungen und ausländischen Wertpapieren massiv aufgebläht. Diese Käufe werden in der Regel über Geschäftsbanken getätigt, denen die SNB den Verkaufserlös auf dem Giroguthaben gutschreibt. Aufgrund dieser Interventionen hat sich die Notenbankgeldmenge in den letzten zehn Jahren mehr als verzehnfacht und belief sich Ende 2017 auf CHF 558 Mrd.
Buchgeld im Fokus der Initianten
Den Initianten geht es aber nicht um das durch die Notenbank geschaffene Geld, das auch als primäre Stufe des Geldsystems bezeichnet wird, sondern um das von den Geschäftsbanken geschaffene Buchgeld. Die Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken kann beispielhaft so erklärt werden: Eine Person A tätigt eine Einlage von CHF 1’000.- bei einer Bank. Die Bank muss davon als Reserve im Ausmass des Mindestreservesatzes von aktuell 2.5 % behalten und kann CHF 975.- an eine Person B ausleihen bzw. als Kredit gutschreiben. Wenn die Person B diese Gutschrift verwendet, um Waren zu kaufen, wird das Geld dem Verkäufer (Person C) als Einlage gutgeschrieben und von dieser muss die Bank wiederum 2.5% als Reserve behalten und kann CHF 950.60 als Kredit vergeben. Mit der anfänglichen Einlage von CHF 1’000.- könnten die Banken am Ende dieses Prozesses theoretisch ein maximales Einlagenvolumen von CHF 40’000.- schaffen. Dieses Volumen wird jedoch nur dann erreicht, wenn (1) die involvierten Personen kein Bargeld halten, (2) das potenzielle Kreditvolumen von den Banken jeweils voll ausgeschöpft wird und (3) die Kredite vom Publikum auch tatsächlich nachgefragt werden. Die Summe der vom Publikum gehaltenen Noten und die Sichteinlagen, (das sofort verfügbare Geld, also auf „Sicht“ verfügbar), bei den Geschäftsbanken bilden zusammen die Geldmenge M1. Diese hat sich in den letzten zehn Jahren «nur» verdoppelt und betrug per Ende 2017 CHF 643 Mrd. Verglichen mit der Notenbankgeldmenge hat sich die Geldmenge M1 wesentlich bescheidener entwickelt, d.h. die Banken haben das Kreditschöpfungspotenzial bei weitem nicht ausgeschöpfen können.
Derzeit sind Sichteinlagen schon Vollgeld
Viele Gegner der Initiative argumentieren, dass das Volksbegehren die Geldschöpfung durch die Banken grundsätzlich verbieten würde, was schlichtweg falsch ist: Die Vollgeldinitiative schützt nur die Sichteinlagen, wogegen Termineinlagen und die Spareinlagen weiterhin als wichtigste Basis für die Kreditvergabe bleiben. Im Kern will die Initiative die Banken dazu zwingen, (nur) die Transaktionsgelder als Sichteinlagen oder Zahlungskonten aus der Bilanz auszulagern und zu 100 % mit Notenbankgeld zu hinterlegen. Unbestritten ist, dass diese Konten dann auch im Fall von Bankenpleiten sicher sind. Unmittelbar stellt sich die Frage, ob diese Konten jetzt unsicher sind. Ein Blick in die Bankbilanzen zeigt, dass die Sichteinlagen derzeit faktisch schon Vollgeld sind: Per Ende 2017 betrugen die liquiden Mittel der inländischen Banken, d.h. die Summe aus Noten und Notenbankgeld im Form von Guthaben bei der SNB, CHF 526 Mrd., während sich die Sichteinlagen der Bankkunden auf CHF 550 Mrd. beliefen. Somit sind faktisch 95 % der Einlagen mit Notenbankgeld gedeckt. Dieser Zustand ist im Wesentlichen der oben erwähnten Geldschöpfung durch die SNB und der schwachen Kreditnachfrage zuzuschreiben. Die Umsetzung der Initiative würde diesen (nicht dauerhaften) Zustand sozusagen einfrieren und die Sichteinlagen der Bankkunden dauerhaft sicher machen. Die Fragen, ob mit der Umsetzung der Vollgeld-Initiative die Kreditversorgung gewährleistet bleibt, Bankenkrisen wirklich verhindert werden können und mit welchen Konsequenzen die Banken und die SNB konfrontiert würden, werden wir in einem nächsten Eintrag diskutieren.
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