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Sharing Economy — Die Industrie kommt erst auf den Geschmack

«Total 13 Minuten wird eine handels­üb­liche Bohrma­schine über ihre gesamte Lebens­dauer im Durch­schnitt genützt. Eine lächerlich kurze Zeit, denn was man will, ist das Loch in der Wand, nicht den Bohrer.»

Mit solchen Aussagen rüttelte die austra­lische Publi­zistin Rachel Botsman bereits 2010 ihre Zuhörer während ihres TED Vortrages zum Thema Sharing Economy auf. Viele Dinge benutzen wir meist nur kurz, die meiste Zeit liegen oder stehen sie rum. So zum Beispiel ein durch­schnitt­liches Perso­nenauto, welches 23 Stunden am Tag still­steht, jährlich aber über 8000.- Franken an Kosten verur­sacht. Oder der Rasen­mäher, der 98 % seines Lebens tatenlos im Garten­schopf wartet.

Hype oder Umbruch?

Sharing Economy feiert als Begriff bereits seinen 10. Geburtstag, doch so richtig gross in Schwung ist das Thema scheinbar noch nicht geraten. Oder etwa doch? Rachel Botsman zumindest glaubte bereits 2010, dass in wenigen Jahren die Sharing Economy unser aller Leben trans­for­mieren würde in der Art wie wir produ­zieren, konsu­mieren, finan­zieren und lernen. So weit sind wir wohl noch nicht. Häufig überschätzen nämlich sogar Experten die Geschwin­digkeit eines Wandels, aber aufge­passt: Unter­schätzt wird hingegen meist dessen langfris­tiges Ausmass.

Die Industrie kommt erst auf den Geschmack

In vielen indus­tri­ellen Bereichen hat das Konzept der Sharing Economy bereits Einzug gehalten. Software, Speicher- und Rechen­ka­pa­zität werden vermehrt als Service in der Cloud gemietet. Unter­nehmen wie Toyota oder Schindler sehen sich mittel­fristig eher als Anbieter von Mobilität denn als Auto- bzw. Liftver­käufer. Auch Firmen unter­ein­ander entdecken das Teilen zunehmend, denn im sogenannten Business-to-Business Sharing steckt viel Potenzial: In gewissen Indus­trie­zweigen liegt nämlich die mittlere Kapazi­täts­aus­lastung unter 40 %. Die ameri­ka­nische Firma United Rentals zum Beispiel macht jährlich 6.5 Mrd. USD Umsatz mit Ausleihen von Waren an Indus­trie­firmen, vom Bulldozer bis zur Handyantenne.

Es geht um mehr

Für manche Leute hingegen ist Sharing Economy bislang höchstens ein Reizthema, sie verbinden es mit den negativen Schlag­zeilen schlecht bezahlter Uber-Taxifahrer oder steigenden Mietpreisen in Berlin aufgrund angeblich überbor­dender AirBnB-Angebote. Doch Sharing Economy oder das Teilen von privaten und indus­tri­ellen Gütern, das reine Anmieten von Dienst­leis­tungen anstelle des Besitzens und Wegwerfens ergibt in vielen Bereichen Sinn und hat das Potenzial, unser Leben nachhal­tiger zu gestalten. «On Demand Economy», oder in deutscher Sprache «Wirtschaft auf Abruf», trifft den Kern der Sharing Economy daher besser.

Schub durch die junge Generation?

Die Generation der Millen­nials und wohl noch in stärkerem Masse die nach ihr folgende Generation Z finden sich mit diesen Konzepten bereits bestens zurecht. Sie kennen keine Schall­platten- oder CD-Sammlung mehr. Musik ist kein Besitz, man streamt, was einem gerade passt. Umfragen zeigen eine Tendenz, dass Millen­nials statt Eigentum anzuhäufen lieber den Kiliman­dscharo besteigen. Eigentum verpflichtet. Es behindert die Mobilität und schränkt die Freiheit ein. Was zählt, ist das Erlebnis. «Collect moments, not things», ist ein Wahlspruch der Instagram-Community. Das passt hervor­ragend zur Sharing Economy.

In diesem ersten Teil einer Artikel­serie zum Thema Sharing Economy befasst sich Dominik Müller mit den Anfängen der Bewegung. Im zweiten Teil erläutert er die verschie­denen Entwick­lungs­formen und im dritten und abschlies­senden Teil beleuchtet der Autor die Möglich­keiten der Sharing Economy als Treiber einer nachhal­tigen Wirtschaft.


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