Franziska Müller Tiberini, Inhaberin Familienunternehmen.ch
Gastbeitrag

Konflikte in Famili­en­un­ter­nehmen sind Chancen

Franziska Müller Tiberini coacht seit vielen Jahren Famili­en­un­ter­nehmen in Verän­de­rungs­pro­zessen. Letzte Woche referierte sie zum Thema «Konflikte – Aussitzen oder WIE anpacken?»

Franziska Müller Tiberini ist Inhaberin von Familienunternehmen.ch und betreibt zusammen mit Carol Häusermann die Plattform www.thefamilyretreat.ch Frau Müller Tiberini gehört zum Partner-Netzwerk von Rahn+Bodmer Co.

Frau Müller Tiberini, Sie stammen aus einer Unter­neh­mer­fa­milie. Gab es in Ihrer Familie Konflikte zwischen den Generationen?

Mein Vater hatte eine Produk­ti­ons­firma für Messgeräte und ein Handels­un­ter­nehmen. Ich wuchs mit zwei Schwestern und einem Bruder auf. Es war klar, wer später übernehmen sollte. Mein Bruder wollte aber nicht, dann zog mein Vater die Schwie­ger­söhne in Betracht, am Ende übernahm ich die Firma. Diese Zeit war nicht immer sehr einfach.

Was hat Sie bewogen, als Coach und Media­torin für Famili­en­un­ter­nehmen tätig zu sein?

Meine eigene Geschichte war sehr prägend für meine heutige Tätigkeit. Und während eines Ausbil­dungs­auf­ent­halts in Amerika erfuhr ich, was ein unabhän­giges Coaching bewirken kann. Das war genau das, was meiner Familie damals gefehlt hatte. Später, als ich aus dem Famili­en­be­trieb ausstieg, war dies meine Motivation, um mich als Coach für Famili­en­un­ter­nehmen selbst­ständig zu machen.

Wie gelingt der Einstieg ins Familienunternehmen?

Der Schlüssel dazu ist eine gegen­seitige wertschät­zende Kommu­ni­kation auf Augenhöhe. Was so einfach klingt, ist ein langer Prozess. Die Eltern müssen anerkennen, dass ihre Kinder vielleicht sogar mehr wissen als sie. Anderer­seits müssen die Kinder lernen, Verant­wortung zu übernehmen und Respekt für das Erreichte der Eltern zu haben.

Weshalb wenden sich Familien an Sie?

Ein Unter­nehmen muss markt- und zukunfts­fähig sein. Zusätzlich zu den externen Faktoren steht ein Famili­en­un­ter­nehmen im Spannungsfeld von Familie, Unter­nehmen und Geld. Da kommt es oft zu Konflikten. Verän­de­rungs­pro­zesse sind sehr komplex und brauchen unter­schied­liche Experten und Zeit. Die jüngere Generation ist offen, für diese Prozesse einen externen Coach beizu­ziehen. Die ältere Generation hat gegenüber einer externen Begleitung eher noch Resistenzen.

Welche Voraus­set­zungen müssen erfüllt sein, damit Sie mit einer Familie arbeiten können?

Alle müssen wollen. Genauso wichtig ist die Chemie zwischen Coach und Familie. Und alle Betei­ligten müssen sich mitver­ant­wortlich zeigen und sich Zeit für die Verän­de­rungs­pro­zesse nehmen. Nur so gelingt es, eine für alle Betei­ligten erfolg­reiche Lösung zu finden.

Gibt es eine «Best Practice» wie Famili­en­kon­flikte angesprochen und angegangen werden können?

Familien müssen Konflikte als Chance wahrnehmen und die Kultur der Verbes­serung und Weiter­ent­wicklung pflegen. Angelehnt an die japanische Kultur der Fabri­ka­ti­ons­pro­zesse bedeutet dies: Bei Unstim­mig­keiten im Arbeits­ablauf ist nie eine einzelne Person schuld, sondern die Umstände und der Prozess. Das heisst, die Situation wird analy­siert und Verbes­se­rungen vorge­schlagen, verhandelt und Abläufe angepasst, ohne eine Person an den Pranger zu stellen. Zusam­men­fassend kann man also sagen, dass die folgenden Haltungen eine Art «Best Practice» sind:
— niemand ist schuld
— verhandeln nicht streiten
— Offenheit und der Wille, unter­schied­liche Bedürf­nisse zu verstehen
— gemeinsam Verän­de­rungen angehen zu wollen


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