Anlegen

Ausblick 2019 — zwischen Hoffen und Bangen

Nach den letzten, sehr turbu­lenten Wochen an den globalen Aktien­märkten stellen sich viele Anleger die bange Frage, ob die Korrek­turen ein Vorbote eines eigent­lichen Bären­marktes sind oder ob die Schwäche nur vorüber­ge­hender Natur ist. Weil sich die Frage leider nicht eindeutig beant­worten lässt, werden im Folgenden eine (nicht abschlies­sende) Reihe funda­men­taler und techni­scher Faktoren disku­tiert, die in unserer Einschätzung relevant sind.

Es gibt kein übliches Korrekturmuster

Zunächst gilt es sich zu verge­gen­wär­tigen, dass sich hinter den grössten Korrek­turen in den letzten 50 Jahren kein Muster erkennen lässt, weder in Bezug auf die Länge noch auf die Fallhöhe der Märkte. So erlitt die US-Börse im Herbst 1987 ohne offen­sicht­lichen Grund einen Tages­verlust von über 20 % und erreichte nach 21 Monaten wieder den Stand vor der Korrektur. Demge­genüber korri­gierten die Märkte nach dem Platzen der Techno­lo­gie­blase über eine Dauer von zweieinhalb Jahren und büssten knapp 50 % ein. Die Erholung nahm viereinhalb Jahre in Anspruch. Ein gemein­samer Aspekt, der fast jeder Korrektur zugrunde lag, war die «Einmi­schung» der Politik, allen voran der Geldpo­litik. So hat insbe­sondere die oft prozy­klische Stop-and-go-Politik der US-Notenbank entscheidend zu Hausse- und Baisse­phasen an den Börsen beigetragen.

 

 

Rudert die US-Notenbank zurück?

Die moneta­ris­tische Forderung nach einer Verste­tigung wurde in den letzten Jahren in den Wind geschlagen und die Selbst­über­schätzung der Noten­banken gipfelte in den zahlreichen QE-Programmen. Kaum zu bestreiten ist, dass letztere einen hohen Preis in Form eines raschen Schul­dend­wachstums haben. Die Schäd­lichkeit der unkon­ven­tio­nellen Geldpo­litik wird dann sichtbar, wenn die hohen Verschul­dungen bei höheren Zinsen und tieferen Gewinnen plötzlich nicht mehr tragbar sind. Diese Situation wird aller­dings nicht rasch eintreten, zu sehr fürchten sich die Noten­banken vor dem Damokles­schwert steigender Zinsen. Die US-Notenbank hat mit den ersten Norma­li­sie­rungs­schritten begonnen und auch die EZB hat ihr QE-Programm gestoppt. Dem US-Notenbank-Chef Powell ist zugemutet worden, dass er die Norma­li­sierung weitgehend unabhängig von der Entwicklung an den Finanz­märkten voran­treibt. Nach der Aussage des Fed-Chefs von letzter Woche, dass die Notenbank in ihrem Vorgehen flexibel bleibe und keinem vorge­ge­benen Pfad folge, ist diese Haltung jedoch zu bezweifeln. Die Bemerkung hat die Märkte beruhigt und manche Auguren rechnen sogar mit einem gänzlichen Stopp des Zinser­hö­hungs­zyklus. Diese Vorstellung dürfte die Märkte positiv beein­flussen, mögli­cher­weise aber nur vorüber­gehend, denn die Geschichte zeigt, dass die Hoffnung auf ein « Soft-landing» meistens nicht erfüllt wurde.

Eskaliert der Handelskonflikt?

In der Dezember-Ausgabe unseres Anlage­kom­passes disku­tierten wir die geopo­li­ti­schen Risiken. Bezüglich des Handels­kon­flikts zwischen den USA und China sind wir zum Schluss gekommen, dass der Druck zu einem Kompromiss auf beiden Seiten gestiegen ist. Mittler­weile sind rund drei Viertel aller US-Unter­nehmen der Meinung, dass der Handels­kon­flikt über die nächsten sechs Monate einen negativen Einfluss auf die Geschäfts­ent­wicklung haben wird. Aufgrund der abseh­baren negativen Auswir­kungen auf die globalen Produk­ti­ons­ketten, die Inves­ti­ti­ons­neigung der Unter­nehmen und die Weltkon­junktur wird der Druck auf die Kontra­henten steigen. Ein grosser Befrei­ungs­schlag wird es jedoch kaum geben, weil auf beiden Seiten vor allem auch Fragen der Macht­po­litik auf dem Spiel stehen. Vorstellbar ist aber, dass es auf gewissen Gebieten zu kleineren Kompro­missen kommen wird. Noch völlig offen ist die Frage, ob die USA das Zollregime für Autoim­porte generell verschärft, was vor allem Europa hart treffen würde.

Kann die Konjunk­tur­schwäche überwunden werden?

Eine Abfla­chung der in dieser Zeit stark beach­teten Rendi­te­kurve war in der Vergan­genheit meist ein zuver­läs­siger Indikator für eine konjunk­tu­relle Abkühlung. Selbst eine inverse Zinskurve muss aber nicht zwangs­läufig in eine Rezession münden. Unabhängig davon haben die gestie­genen Zinsen aber in einigen Sektoren Spuren hinter­lassen. So entwi­ckelt sich der u.a. private US-Wohnungsbau seit Anfang 2018 rückläufig. Weil die 2018 imple­men­tierten fiska­li­schen Impulse im laufenden Jahr an Wirkung verlieren und die jüngsten US-Indika­toren schwach ausge­fallen sind, erwarten wir für 2019 eine ausge­prägte Konjunk­tur­ver­lang­samung. Damit entsteht das Bild eines synchronen globalen Abschwungs, zumal sich Europa, Japan und China schon seit einigen Monaten in einer Schwä­che­phase befinden.

Sind die Bewer­tungen nun günstig?

Nach den heftigen Korrek­turen sind die Kurs/­Gewinn-Verhält­nisse (P/E) an praktisch allen Börsen deutlich unter die zehnjäh­rigen Mittel­werte gefallen. Richtig billig sind die Märkte aller­dings nicht, lagen die Bewer­tungen vor fünf Jahren auf deutlich tieferem Niveau. Überdies müssen viele Gewinn­schät­zungen für 2019 vermutlich noch nach unten revidiert werden, was die Bewer­tungen noch nach oben drücken wird. Mehr zu denken gibt, dass das Zyklus-berei­nigte Shiller‑P/E in den USA immer noch mehr als 50 % (!) über dem langjäh­rigen Mittelwert steht.

 

P/E MSCI World | Schweiz: Aktien- und Bondrenditen

 

Dabei muss aller­dings berück­sichtigt werden, dass die noch hohen Bewer­tungen zu wesent­lichen Teilen den tiefen Zinsen geschuldet sind. Relativ zu Anleihen erscheinen vor allem europäische (und Schweizer) Aktien attraktiv, denn der Rendi­te­un­ter­schied zwischen Aktien und Anleihen war noch nie so hoch. Verant­wortlich für diese Konstel­lation ist die Tiefzins­po­litik der Noten­banken (bzw. die «Währungs­po­litik» der SNB). Der Vergleich zwischen Anleihen- und Dividen­den­ren­diten hinkt natürlich auch deshalb, weil Dividenden grund­sätzlich nicht stabil sind. Dem ist jedoch entge­gen­zu­halten, dass es (abgesehen von Roche, Novartis und Nestlé) genügend Unter­nehmen gibt, deren Cashflows auch in einem schwie­ri­geren Umfeld genügend stabil sind, um beständige Dividenden auszuschütten.

Konjunk­tur­sorgen verdrängen Zinsängste

In techni­scher Sicht sind die Märkte stark überver­kauft, auch die meisten Stimmungs­ba­ro­meter liegen auf sehr tiefem Niveau. Wird die Lage besonders pessi­mis­tisch eingschätzt, ist eine Gegen­be­wegung meist nicht weit. Mit den beruhi­genden Worten des US-Noten­bank­chefs treten die Zinsängste in den Hinter­grund. Solange keine Licht­blicke hinsichtlich des Handels­kon­flikts und der globalen Konjunktur erkennbar sind, ist aber nicht mit einem nachhal­tigen Trend zu rechnen. Wie in den letzten Monaten werden in diesem Umfeld vor allem Quali­täts­titel mit stabilen Dividenden ihre Rendi­te­vor­teile zum Tragen bringen können.


Weitere Beiträge von