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China muss sich weiter öffnen

Im Handels­streit mit den USA sitzt China am kürzeren Hebel und wird zu Konzes­sionen bereit sein. Die Expan­si­ons­pläne werden nur gelingen, wenn das Land weitere Märkte öffnet und das Vertrauen auslän­di­scher Inves­toren gewinnt.

Gegenwind aus verschie­denen Richtungen

Die konjunk­tu­rellen Auftriebs­kräfte haben in China in jüngster Zeit deutlich nachge­lassen: Das Wachstum der Detail­han­dels­um­sätze und der Indus­trie­pro­duktion ist seit Monaten im Sinkflug. Das Wachstum im 4. Quartal 2018 betrug nur noch 6,4 % und war letztmals nach Ausbruch der Finanz­krise im Jahr 2009 so schwach. Ausschlag­gebend dafür sind hausge­machte Probleme. Der Kampf gegen die Schat­ten­banken und das ausufernde Kredit­wachstum haben die Inves­ti­ti­ons­neigung der privaten Unter­nehmen und das Ausga­be­ver­halten der Konsu­menten beein­trächtigt. Wenn die Gefahr einer weiteren Wachs­tums­ver­lang­samung droht, wird China die Geldpo­litik weiter lockern und die staat­liche Nachfrage ankurbeln. Ein stärkerer Gegenwind droht jedoch aus dem Handels­kon­flikt mit den USA. Die im Dezember erfolgte Ankün­digung Chinas, die Einfuhr von ameri­ka­ni­schem Soja zuzulassen und mit den Straf­zöllen auf US-Autos zumindest vorüber­gehend zuzuwarten, unter­streichen, dass China am kürzeren Hebel sitzt und zu Konzes­sionen bereit ist.

Kann sich China Leistungs­bi­lanz­de­fizite leisten?

Unabhängig vom Handels­kon­flikt hat sich Chinas Aussen­han­dels­po­sition in den letzten Jahren stetig verschlechtert. Verant­wortlich war das steigende Defizit der Dienst­leis­tungs­bilanz, das vor allem die zuneh­menden Auslands­reisen und den damit einher­ge­henden Devisen­ab­fluss widerspiegelt.

In den ersten drei Quartalen 2018 wies China sogar ein Leistungs­bi­lanz­de­fizit auf, was aber Washington kaum besänf­tigen wird, zumal das Defizit gegenüber China mit rund USD 350 Mrd. immer noch gewaltig ist. Die USA werden alles daran­setzen, das Defizit zu reduzieren. Auch andere Faktoren könnten die Überschüsse Chinas nachhaltig reduzieren. Dazu zählen die Ankur­belung des inlän­di­schen Konsums durch Steuer­sen­kungen und die höheren Inves­ti­tionen im Zusam­menhang mit der «Belt and Road»-Initiative. Aus makro­öko­no­mi­scher Sicht spiegelt das sinkende chine­sische Leistungs­bi­lanz­de­fizit eine Norma­li­sierung der inlän­di­schen Sparquote wider, die zwischen 2004 und 2008 auf ein ausser­or­dentlich hohes Niveau gestiegen war. Eine dauerhaft tiefe Sparquote oder eine negative Leistungs­bilanz bedeutet aber auch, dass China vom einst grössten Kapital­ex­porteur zu einem Kapital­im­porteur mutieren wird. Wenn China aufgrund einer tieferen Sparquote nicht mehr in der Lage ist, auslän­dische Defizite mit zu finan­zieren, wird dies negative Auswir­kungen auf das inter­na­tionale Zinsniveau haben. Aufgrund der immer noch sehr hohen Devisen­re­serven dürften aber Leistungs­bi­lanz­de­fizite für China selbst vorderhand kein grosses Problem sein.

Weitere Reformen sind notwen­diger denn je

Ob sich China auch langfristig Defizite leisten kann, wird entscheidend von der Inves­ti­ti­ons­be­reit­schaft inter­na­tio­naler Anleger abhängen. Deshalb dürfte sich China gezwungen sehen, die Markt­li­be­ra­li­sierung voran­zu­treiben. Vor allem müsste Peking, in den bisher von den Staats­be­trieben dominierten Sektoren mehr Wettbewerb zulassen und Monopole aufbrechen. Wie weit Peking tatsächlich bereit ist, die Kontrolle über gewisse Märkte aufzu­geben, ist derzeit kaum abzuschätzen. In einem optimis­ti­schen Szenario könnten die Verhand­lungen mit den USA diesen Prozess beschleu­nigen. Ein zu starker Druck oder ein eskalie­render Handels­kon­flikt könnte aber auch den gegen­tei­ligen Effekt haben.


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