Der aktuell gültige Pflichtteilsrechtsartikel stammt aus den 80er Jahren. Der Bundesrat hat jüngst auf eine Motion hin einen Gesetzesentwurf zur Revision des Pflichtteilsrechts erlassen.
Über Sinn oder Unsinn der Pflichtteile bei einer Erbschaft lässt sich politisch und rechtlich wunderbar streiten. Es gäbe unzählige Argumente dafür (Gleichheitsgebot, familiärer Zusammenhalt, Rechtssicherheit etc.) und ebenso viele dagegen (Verfügungsfreiheit des Erblassers, Vermeidung teils stossender Situationen, veraltete Normen und Wertvorstellungen etc.).
Wichtige Punkte im Gesetzesentwurf
Nun liegt ein Gesetzesentwurf zur Revision des Pflichtteilsrechts vor, dieser enthält unter anderem folgende Punkte:
- Reduktion der Pflichtteile der Kinder von ¾ auf ½ des gesetzlichen Anspruchs. Der Pflichtteil der Ehegatten/eingetragenen Partner von ½ des gesetzlichen Anspruchs bleibt unverändert bestehen.
- Stundungsmöglichkeit der Pflichtteilsauszahlung auf Antrag bis zu 5 Jahren.
- Bewertungszeitpunkt des Unternehmens vom Todestagprinzip hin zum Zeitpunkt der Zuwendung.
Wie wirken sich diese Punkte auf die frei verfügbare Erbquote aus?
Die Universität St. Gallen hat ein Gutachten (*) erstellt, um unter anderem herauszufinden, wie sich der Eckpunkt 1 auf die frei verfügbare Erbquote auswirkt. Dabei geht das Gutachten der Einfachheit halber davon aus, dass der Erblasser keine Eltern mehr hat. Das heisst, eine Person X, die Kinder und/oder einen Partner hat, diesen Erben von Gesetzes wegen einen Teil ihrer Erbschaft vererben muss. In Kapitel vier findet man die folgende Tabelle:
Verständnishilfe zur Tabelle: Hat der Erblasser beispielsweise keinen Ehepartner aber zwei Kinder, so betrug bisher die maximale Erbquote, die er rechtlich gesehen einem der beiden Kinder hätte zusprechen dürfen, 62,50 % seines gesamten Nachlasses. Neu könnte er maximal 75 % diesem Kind zusprechen. Der Pflichtteil des anderen Kindes in Prozenten würde um 12,5 % auf neu 25 % des Gesamtnachlasses schrumpfen.
(*) Bergmann, Heiko; Halter, Frank; Zellweger, Thomas (2018): Regulierungsfolgenabschätzung Revision Erbrecht. Forschungsbericht KMU-HSG Universität St. Gallen
Was würde die neue Regelung für den einzelnen Erblasser bedeuten?
- Hat der Erblasser keinen Ehepartner, so wäre die prozentuale Veränderung der frei verfügbaren Quote gemäss neuem Pflichtteilsrecht wesentlich grösser als mit Ehepartner.
- Je mehr Kinder, desto grösser würde die prozentuale Veränderung der frei verfügbaren Quote.
- Hat der Erblasser nur ein Kind, so würde sich mit der geplanten Gesetzesrevision (mit Ehepartner: 75 %; ohne Ehepartner 100 %) nichts ändern.
- Das neue Pflichtteilsrecht könnte also in allen Fällen bis maximal drei Kindern zu einem Anstieg der frei verfügbaren Quote von 0 – 16,67 % führen. Respektive den Pflichtteil der übrigen Kinder total um 0 – 16,67 % reduzieren.
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