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Vorlau­fende Indika­toren der OECD – ein Strick­muster für die Börse?

Regeln oder Modelle für die kurzfristige Einschätzung der Börse sind meist wertlos. Für die mittel­fristige Beurteilung sollte man sich auf monetäre und politische Aspekte und vor allem auf die Beurteilung des Konjunk­tur­zyklus konzen­trieren. Vorlau­fende Indika­toren können dazu wertvolle Hilfe leisten.

Noch so smarte Modelle werden es nicht schaffen, kurzfristige Bewegungen an den Märkten voraus­zu­sagen, weil die zufäl­ligen Einflüsse – seien es überra­schende Konjunk­tur­daten, Aussagen von Noten­banken oder ein aufse­hen­er­re­gender neuer Tweet des US-Präsi­denten – nicht voraus­sehbar sind. Für den Anlage­erfolg ist jedoch die langfristige und strate­gische sowie die taktische Positio­nierung entscheidend.

Strate­gische versus taktische Aktien-Allokation

Für die Festlegung der langfris­tigen Aktien­quote in einem Portfolio ist die Risiko­be­reit­schaft und ‑fähigkeit eines Anlegers sowie die Rendi­te­er­war­tungen mit Blick auf die langfristige Produk­ti­vität und die demogra­phi­schen Faktoren ausschlag­gebend. Für die taktische Positio­nierung, die in der Regel 6–12 Monate umfasst, steht die Einschätzung der Konjunk­tur­ent­wicklung im Vorder­grund. Mit der Erfassung von Faktoren, die der Realwirt­schaft voraus­laufen wie etwa der Bestel­lungs­ein­gänge, der Inves­ti­ti­ons­pläne oder dem Verlauf der Zinskurve, versuchen die sogenannten vorlau­fenden Indika­toren, die zukünftige Entwicklung des BIP abzubilden.

OECD Leading Indicator und Konjunkturstadien

Die OECD publi­ziert eine inter­na­tionale Auswahl von weitgehend standar­di­sierten Indika­toren. Die länder­spe­zi­fi­schen Leading Composite Indicators (CLI) werden für verschiedene Regionen und global aggre­giert. Konzi­piert ist der CLI so, dass er frühe Signale für Wende­punkte in Konjunk­tur­zyklen liefert und aufzeigt, wie stark das Wachstum vom Trend bzw. Wachs­tums­po­tenzial abweicht. Der Vorlauf des CLI auf das BIP beträgt 6–9 Monate. In den wichtigsten Ländern und Regionen sind die CLIs in den letzten Monaten unter das Index­niveau von 100 gesunken (siehe Grafik 4) und signa­li­sieren damit ein Wachstum, das unter dem Potenzial liegt.

OECD Leading Indicators

Konjunktur-Regime Modelle

In einem einfachen Modell kann der Verlauf des CLI in vier zyklische Phasen unter­teilt werden. Wir nennen es Konjunktur-Regime (1–4), die folgende Charak­te­ris­tiken aufweisen:

Regime 1: Erholung mit Wachs­tums­raten über Potenzial
Regime 2: Abschwung mit Wachstum über Potenzial
Regime 3: Abschwung mit Wachstum unter Potenzial
Regime 4: Erholung mit Wachstum unter Potenzial

Konjunktur-Regime

OECD Leading Indicator und Aktienmarktrenditen

Für die 4 Regime haben wir die histo­ri­schen Aktien­markt-Returns und Standard­ab­wei­chungen ausge­rechnet. Auf der Basis des globalen CLI und des US-Aktien­marktes (S&P 500) sehen die Resultate seit 1962 wie folgt aus:

OECD Leading Indicators und Renditen

Die mit Abstand beste Entwicklung verzeich­neten Aktien mit einer durch­schnitt­lichen Monats­per­for­mance von 1,9 % im Regime 4. Ausschlag­gebend dafür waren die starken Erholungs­phasen nach ausge­prägten Kursein­brüchen. Die positive Entwicklung setzte sich jeweils im Regime 1 fort, wenn auch mit deutlich tieferen Aktien­re­turns. Im Regime 2, das immer noch von positiven Wachs­tums­er­war­tungen und einem über dem Potenzial liegenden Wachstum gekenn­zeichnet ist, betrug die durch­schnitt­liche Perfor­mance null. Wenig überra­schend ist, dass das Regime 3 mit einer Negativ­per­for­mance und einer hohen Volati­lität jeweils die schlech­teste Börsen-Phase war.

Welche Erkennt­nisse können aus diesen Daten gewonnen werden?

Die Leading Indicators der OECD leisten eine wertvolle Hilfe­stellung um festzu­stellen, in welchem Stadium sich der Konjunk­tur­zyklus befindet. Auch die Erkenntnis, dass die Aktien­markt­ren­diten gewis­ser­massen konsistent mit den erwar­teten Konjunk­tur­phasen sind, kann hilfreich sein. Mit Bezug auf die taktische Positio­nierung postu­liert der CLI, dass bei noch hohen, aber abneh­menden Wachs­tums­raten eine Reduktion der Aktien­quote in Erwägung gezogen werden soll. Noch wichtiger ist der Entscheid, gegen Ende des Regimes 3 die Aktien­quote wieder zu erhöhen, denn beim Wechsel vom Regime 3 in 4 drehen die Renditen aus dem negativen in den positiven Bereich.

Gute Indikation trotz Vorbehalten

Die Vorbe­halte gegenüber dem Konzept werden aus der folgenden Grafik für den Zeitraum 2007–2019 ersichtlich:

OECD Leading Indicator und S&P

Die Dauer der Regime ist nicht konstant und die Abfolge hält sich nicht immer an das oben beschriebene Muster. Überdies kann die Regime-Perfor­mance im Einzelfall stark von den histo­ri­schen Durch­schnitts­werten abweichen. Wenn man sich dieser Vorbe­halte bewusst ist, bietet der CLI dennoch eine wichtige Hilfe­stellung für die taktische Festlegung der Aktien­quote. Vor allem kann das einfache Modell den Anleger gewis­ser­massen diszi­pli­nieren und dazu ermutigen, gegen den Strom zu schwimmen. Aller­dings ist auch der CLI kein Patentrezept.

Bei Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

notablog@rahnbodmer.ch

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