Activities in Palestine
Gastbeitrag

Right To Play — Die Kraft des Spiels

Martin H. Bidermann, Partner, ist ehren­amt­licher Stiftungs­rats­prä­sident von Right To Play Switz­erland. In dieser Funktion begrüsste er Jamil Sawalma, Landes­ver­ant­wort­licher von Right To Play Palästina, der in unseren Räumlich­keiten über die spiel­ba­sierten Aktivi­täten und die Situation der Kinder in Palästina berichtete.

Herr Sawalma, Sie wurden in einem Flücht­lings­lager in Palästina geboren und haben in London studiert. Wie war dieser Weg überhaupt möglich?

Die UN unterhält in den paläs­ti­nen­si­schen Flücht­lings­lagern kostenlose Schulen und dort besuchte ich die 1. bis 9. Klasse. Später studierte ich Franzö­sische Literatur an einer öffent­lichen Hochschule in Palästina und konnte anschliessend dank eines Stipen­diums an der City University of London Media­wis­sen­schaften und Sozio­logie studieren. Bildung hat für mich persönlich einen sehr hohen Stellenwert. Ich bin überzeugt, dass alles, was wir lernen, unsere Persön­lichkeit und unsere Zukunfts­per­spek­tiven beeinflusst.

Wann traten Sie Right To Play bei und was war Ihre Motivation?

Meine Kindheit im Flücht­lings­lager beein­flusste meine Berufswahl natürlich stark. Und mein ganzer Bildungsweg war darauf ausge­richtet, dass ich mit dem notwen­digen Wissen und den Werkzeugen ausge­rüstet sein wollte, um später für eine Entwick­lungs­or­ga­ni­sation tätig sein zu können. 2005 hörte ich das erste Mal von Right To Play. Das war praktisch zu Beginn, als Right To Play anfing, in Palästina aktiv zu werden, und zufäl­li­ger­weise gab es auch eine freie Stelle. Der spiel­ba­sierte Lernansatz von Right To Play überzeugte mich von Anfang an. Durch Sport und Spiel üben sich Kinder spiele­risch in Toleranz, lernen Initia­tiven zu ergreifen, sich gesell­schaftlich zu engagieren und üben sich in fried­licher Konflikt­lösung. Dadurch entdecken Kinder ihr eigenes Potenzial, lernen an sich selbst zu glauben und eigen­ständig die Weichen für eine bessere Zukunft zu stellen.

Wie viele Leute arbeiten für Right To Play in Palästina und wie viele Kinder erreichen Sie?

Wir sind zurzeit rund 20 Mitar­bei­tende. Im vergan­genen Jahr erreichten wir mit unseren Programmen wohl rund 500 Lehrper­sonen und 18‘000 Kinder. Weitere wichtige Zielgruppen sind für uns die Eltern, die lokalen Gemein­schaften und Organi­sa­tionen sowie das Bildungsministerium.

Welches ist Ihr Lieblings­pro­gramm, gibt es das?

Ja, das gibt es. Es heisst «Taalum», das ist arabisch und bedeutet «Lernen». Dieses Programm wurde 2016 einge­führt und ist eine Initiative, um die Bildungs­qua­lität in Palästina zu verbessern. Deshalb fokus­siert sich Taalum auf die langfristige Weiter­bildung von Lehrper­sonen. In einem dreijäh­rigen Programm vermitteln wir, wie spiel­ba­siertes Lernen in- und ausserhalb des Schul­un­ter­richts angewendet werden kann. Wir möchten Lehrper­sonen dazu ermutigen, inter­aktive und spiele­rische Lehrme­thoden anzuwenden, um Kinder zu invol­vieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich nebst akade­mi­schem Schul­stoff auch grund­le­gende Kompe­tenzen anzueignen. Zu diesem Programm gehören auch Bereiche, die über das spiel­ba­sierte Lernen hinaus­gehen, so zum Beispiel Kinder­schutz, Geschlech­ter­ge­rech­tigkeit aber auch das Eingehen auf die verschie­denen Bedürf­nisse von Jungen und Mädchen, die in geschlech­ter­durch­mischten Klassen unter­richtet werden. Beispiels­weise sprechen wir auch mit Eltern und machen sie darauf aufmerksam, dass Mädchen unter gewissen gesell­schaft­lichen Vorstel­lungen und Normen leiden. Wir sprechen dies an, ohne zu drängen, denn eine gesell­schaft­liche Verän­derung braucht Zeit. Wir von Right To Play in Palästina sind alles Einhei­mische, dadurch werden wir akzep­tiert und können gewisse kultu­relle Aspekte auch ansprechen.

Gibt es eine Geschichte, die Sie besonders berührt?

Ich bin immer wieder berührt durch Geschichten von Kindern, die ihr Leben durch die Right To Play Programme zum Positiven verändern konnten. Eines davon ist Lamar: Lamar ist ein zelebral gelähmtes Mädchen, das dank der spiel­ba­sierten und integrie­renden Lehrme­thoden von Right To Play am normalen Schul­un­ter­richt teilnehmen konnte. Doch es war mehr als das: Ihre Klassen­ka­me­ra­dinnen und ‑kameraden lernten mit einer körperlich behin­derten Person auf natür­liche Art und Weise umzugehen, ohne Lamar als Belastung zu empfinden. Die Geschichte von Lamar verdeut­licht, wie die Bereit­schaft eines Lehrers zur Integration eines körperlich behin­derten Mädchens dazu führen kann, dass eine ganze Gruppe von Schüle­rinnen und Schülern auch ausserhalb des Klassen­zimmers ihre Haltung gegenüber Menschen mit Behin­derung ändert. Das ist ein eindrück­liches Beispiel dafür, wie Right To Play das Leben einer Gemein­schaft positiv beein­flussen kann.


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