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Budget­streit zwischen Brüssel und Rom

In Europa haben die proeu­ro­päi­schen Kräfte den Angriff der Rechts­na­tio­nalen zwar abwehren können, in Italien ist Matteo Salvini’s europa­skep­tische Lega mit einem Stimmen­anteil von 34% aber zur stärksten Kraft im Land geworden. Nach diesem Wahlsieg wird der Populist Salvini gegenüber Brüssel vermutlich noch stärker auf Konfron­ta­ti­onskurs gehen. Die Märkte verlangen für italie­nische Anleihen höhere Risiko­prämien. Die EU-Kommission steht vor einem grossen Dilemma.

Auf der innen­po­li­ti­schen Bühne hat der Koali­ti­ons­partner Cinque Stelle im Zuge der Europa­wahlen eine empfind­liche Niederlage erlitten. Die Fünf Sterne-Bewegung verfügt zwar weiterhin über Mehrheiten in beiden Parla­ments­kammern, die politische Dynamik wird sich in Italien aber nach den Europa­wahlen unwei­gerlich ändern. Es stellt sich die Frage, ob die Koalition, die sich in vielen Themen uneinig ist, überhaupt noch weiter­re­gieren kann. Neuwahlen und eine neue Koalition unter der Führung der Lega werden wahrschein­licher. Zunächst richtet sich der Fokus der Märkte aber vor allem auf den Budget­streit zwischen Brüssel und Rom.

Italiens Defizit läuft aus dem Ruder

Nach den EU-Wahlen liess Salvini verlauten, dass Italien gegen die Austeri­täts­pro­gramme gestimmt habe und kündigte die Einführung einer Flat-Tax an, die das Budget mit 30 Mrd. Euro belasten wird. Schon mit den 2018 schritt­weise einge­führten Steuer­sen­kungen und Mehraus­gaben für das Grund­ein­kommen kann Italien die Vorgaben für die jährliche Defizit­re­duktion nicht einhalten. Dazu kommt, dass die darbende Konjunktur die Steuer­ein­nahmen schmälert. Die italie­nische Konjunktur hat sich aufgrund der zu hohen Lohnstück­kosten und der kaum greifenden Reformen im Unter­schied zu anderen Periphe­rie­ländern seit der Finanz­krise nicht richtig erholt und die BIP-Werte für das 1. Quartal 2019 liegen wieder leicht unter dem Vorjahr. Während Spanien, Portugal und 2019 sogar Griechenland ihre Schul­den­quote leicht senken können, steigt sie in Italien weiter leicht an.

Staatsschulden in % des BIP

Die EU-Kommission in der Zwickmühle

Italien schiebt einen Schul­denberg von über 2’300 Mrd. Euro vor sich her, der mit über 130 % des BIP weit über der Maastrichter-Grenze von 60 % liegt. Schon längst hätte die EU-Kommission ein Defizit­ver­fahren gegen Italien einführen müssen. Vermutlich wird sie dies auch 2019 unter­lassen, weil sie sich vor den Konse­quenzen scheut: Erneute Provo­ka­tionen von Salvini an die Adresse der EU-Kommission wären sozusagen vorpro­gram­miert und in einem Eskala­ti­ons­sze­nario würde der Zusam­menhalt der Eurozone massiv geschwächt werden. Umgekehrt würde sich die EU-Kommission – wenn sie sich zu einem halbher­zigen Kompromiss mit Italien durch­ringt – erneut dem Vorwurf aussetzen, die Regeln nicht durch­zu­setzen. Damit würde letztlich die Fiskal­dis­ziplin in der EU unter­graben und das Vertrauen in den Euro geschwächt.

Werden es die Märkte richten?

Die Anlei­hen­märkte nehmen bereits vorweg, dass in der Ausein­an­der­setzung zwischen Italien und der EU vermutlich harschere Töne angeschlagen werden. Die Risiko­auf­schläge italie­ni­scher Anleihen mit 10-jährigen Laufzeiten sind in den letzten Wochen gegenüber den entspre­chenden deutschen Staats­an­leihen spürbar gestiegen, während die Prämien für spanische oder portu­gie­sische im Sinkflug sind.

Risikoprämien 10-jährige Staatsanleihen (in Bp)

Von einer diszi­pli­nie­renden Wirkung der steigenden Renditen auf die italie­nische Regierung war bisher kaum etwas zu sehen. Unter Druck geraten könnten etliche italie­nische Banken, die immer noch einen hohen Anteil heimi­scher Staats­an­leihen in ihren Bilanzen haben. Anfang 2019 konnte die italie­nische Regierung erfolg­reich 15- und 30-jährige Staats­an­leihen platzieren und verlän­gerte damit die durch­schnitt­liche Laufzeit ihrer Verbind­lich­keiten. Zwischen September und Dezember 2019 müssen Schulden im Umfang von mehr als 162 Mrd. Euro refinan­ziert werden. Auch die Banken werden in diesem Zeitfenster den Markt in grossem Umfang beanspruchen müssen. Es bleibt zu hoffen, dass der Druck der Finanz­märkte hilft, die Begehr­lich­keiten der italie­ni­schen Regierung im Zaume zu halten.

Wenn im Ernstfall Italien Mittel aus dem Euro-Rettungs­schirm (ESM) zugesprochen werden müssten, wäre der Wider­stand aus den Reihen der soliden Staaten sehr gross. Dies müsste im Grunde genommen auch diszi­pli­nierend wirken. Dasselbe gilt für das sogenannte «OMT»-Programm der Europäi­schen Zentralbank, mit dem letztere unbeschränkt italie­nische Staats­an­leihen kaufen könnte. Offiziell steht «OMT» für «Outright Monetary Transac­tions» oder «vorbe­haltlose geldpo­li­tische Trans­ak­tionen». Der frühere EZB-Chefökonom Jürgen Stark bezeichnete das Programm als «Outside the Mandate Transac­tions». Dass die EZB mit der Aktivierung eines «OMT»-Programms zugunsten Italiens ihr Mandat arg strapa­zieren würde, ist heute eine weit verbreitete Ansicht.

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