Die Anhänger der «Modern Monetary Theory» (MMT) betrachten die Abhängigkeiten zwischen der Fiskal- und Geldpolitik keineswegs als Problem. Sie wollen sie sozusagen vielmehr institutionalisieren, indem sie die Geldpolitik der Fiskalpolitik unterstellen. Das Versprechen der MMT mag auf den ersten Blick verlockend sein: Die staatliche Fiskalpolitik garantiert Vollbeschäftigung und die Defizite werden von der Notenbank finanziert.
In der letzten Ausgabe unserer Kundenzeitung «nota» haben wir die Frage aufgeworfen, ob es den Notenbanken jemals gelingen wird, die Geldpolitik wieder zu normalisieren. Nicht nur unter Ökonomen ist die Skepsis gegenüber den aufgeblähten Bilanzen der Notenbanken gewachsen. Die damit geschaffenen langfristigen Inflationsrisiken und die volkswirtschaftlich schädlichen Nebenwirkungen ultratiefer Zinsen werden mittlerweile in der breiten Öffentlichkeit sorgenvoll diskutiert. Dies erhöht den Druck auf die Notenbanken, die Normalisierung voranzutreiben.
Indirekte Staatsfinanzierung durch die Notenbanken
Allerdings hat das schwächere konjunkturelle Umfeld die US-Notenbank bereits dazu bewogen, den Rückbau ihrer Bilanz zu stoppen und die Märkte verbal auf Zinssenkungen einzustimmen. Auch die EZB und die SNB beteuerten in den letzten Wochen, ihre ultraexpansive Geldpolitik nochmals zu lockern, falls sich das Umfeld weiter verschlechtern sollte. Alles deutet darauf hin, dass die Notenbanken in der Falle des lockeren Geldes gefangen bleiben und dass das Problem der indirekten Staatsfinanzierung durch die Notenbanken nicht aus der Welt geschaffen werden kann.
Die Geldpolitik soll der Fiskalpolitik untergeordnet werden
Die Anhänger der «Modern Monetary Theory» (MMT) betrachten die Abhängigkeiten zwischen der Fiskal- und Geldpolitik keineswegs als Problem, vielmehr wollen sie sie sozusagen institutionalisieren, indem sie die Geldpolitik der Fiskalpolitik unterstellen. Das Versprechen der MMT mag auf den ersten Blick verlockend sein: Die staatliche Fiskalpolitik garantiert Vollbeschäftigung und die Defizite werden von der Notenbank finanziert. Bei drohender Inflation soll der Staat die Steuern erhöhen und dem Wirtschaftskreislauf Geld entziehen und damit den Inflationsdruck reduzieren. Dementsprechend soll die Verantwortung für die Geldwertstabilität nicht bei mehr bei der Notenbank, sondern bei der Fiskalpolitik angesiedelt werden.
Geldwertstabilität könnte zugunsten der Fiskalpolitik geopfert werden
Wichtigste Vertreterin der MMT ist die US-Ökonomieprofessorin Stephanie Kelton, die dem linken Flügel der Demokraten beratend zu Seite steht. Sie preist die MMT nicht als Theorie an, sondern als «Konzept». Dieses hat einen starken politischen Anstrich erhalten, weil es einige Demokraten als Finanzierungsgrundlage für eine Beschäftigungsgarantie, für die Einführung einer staatlichen Krankenversicherung und andere Sozialprogramme sehen. Die Feststellung der MMT-Vertreter, dass ein Staat, der dauerhaft hohe Defizite erzielt, nicht insolvent werden kann, solange er sich nur in seiner eigenen Währung verschuldet, ist grundsätzlich richtig. Auch im heutigen System der getrennten Verantwortungen ist es so, dass hohe Schulden im Grunde genommen nur mit höheren Steuern und/oder unter Inkaufnahme einer hohen Inflationsrate abgebaut werden können. Wenn die Verantwortung sowohl für die Schulden als auch jene für Geldwertstabilität aber nur einer Institution zugeordnet wird, ist die Versuchung sehr gross, dass die Geldwertstabilität zugunsten einer expansiven Fiskalpolitik geopfert wird.
Ausgabeversprechen generieren Wählerstimmen
Historische Beispiele, die in Phasen hoher Inflation oder gar einer Hyperinflation endeten, gibt es viele. Auch die jüngere Geschichte zeigt, dass die Politiker mit einer expansiven Fiskalpolitik auf Stimmenfang gehen. So waren die Steuersenkungen eines der wichtigsten Wahlversprechen Donald Trumps. Die Ausgabenfreudigkeit der republikanischen Administration scheint keine Grenzen zu kennen: Das Budgetdefizit beträgt fast 5 % des BIP und die Staatsverschuldung wird bald die Marke von 100 % des BIP knacken. Trumps Versuche, die US-Notenbank zu einer expansiveren Geldpolitik zu bewegen, wären in der Welt der MMT gar nicht mehr notwendig. Die Politik hätte ohnehin das Sagen und die Notenbank müssten das Defizit finanzieren. Spätestens wenn die Wirtschaft an ihre Kapazitätsgrenzen stösst, würde die Inflation zu steigen beginnen. Die Vertreter der MMT gehen davon aus, dass der Staat dann auf die Ausgabenbremse treten oder die Steuern erhöhen würde. Eine solche Vorstellung ist wohl illusorisch.
Viele Notenbanken sind schon ins Schlepptau der Finanzpolitik geraten und jedes Mal wurde die monetäre und fiskalische Stabilität untergraben. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Es bleibt zu hoffen, dass sich die MMT nicht etablieren wird und ein Hirngespinst bleibt.
Weitere Beiträge von Urs Brunner