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Neue Liqui­di­täts­spritze treibt die Aktienmärkte

Die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank (EZB) haben im Oktober neue Anlei­hen­kauf­pro­gramme lanciert. In den nächsten 12 Monaten werden die vier grössten Noten­banken den Märkten neue Liqui­dität im Umfang von rund einer Billion US-Dollar zuführen.

Die neuen Liqui­di­täts­spritzen haben bereits zu einer Inten­si­vierung der Rendi­tejagd an den Finanz­märkten geführt. Weil die Renditen von sicheren Anleihen an den europäi­schen Märkten negativ sind, sehen sich die Inves­toren gezwungen, höhere Anlage­ri­siken einzu­gehen. Wie in früheren QE-Programmen werden davon vor allem die Aktien­märkte profitieren.

Die Geldschwemme ist in der Realwirt­schaft nicht angekommen

Im Nachgang zur Finanz­krise hatten die wichtigsten Noten­banken mit gross­an­ge­legten Anleihen-Kaufpro­grammen gestartet. Das Ziel dieser unkon­ven­tio­nellen Massnahme war im Wesent­lichen, die langfris­tigen Renditen auf tiefem Niveau zu verankern, um die Gesamt­nach­frage anzukurbeln. Der EZB ging es auch um die Stabi­li­sierung der Eurozone, was EZB-Präsident Draghi 2012 mit seinem berühmten Ausspruch “Whatever it takes” unter­strich. Deutliche Auswir­kungen hatten die quanti­ta­tiven Locke­rungen (“QE”) bzw. die tiefen Renditen vor allem auf die Finanz­märkte, wo die Inves­toren im Zuge der Rendi­tejagd immer höhere Risiken eingingen. Das (zu) billige Kapital führte vor allem im US-Unter­neh­mens­sektor zu einem starken Anstieg der Schulden, wobei das Fremd­ka­pital zu grossen Teilen für Übernahmen und Aktien­rück­käufe einge­setzt wurde. In der Realwirt­schaft ist die Geldschwemme nicht wirklich angekommen. Dies belegen die hohen Reserven der Banken in Form von Einlagen bei den Notenbanken.

Norma­li­sierung der Geldpo­litik gescheitert

Die aggre­gierte Bilanz­summe der vier grössten Noten­banken ist seit 2008 von rund 6 Bio. USD bis Mitte 2018 auf knapp 16 Bio. USD gestiegen. Im Herbst 2017 kündigte die US-Notenbank an, dass sie ihre aufge­blähte Bilanz langsam abbauen und sich von einem Teil der Anlei­he­be­stände trennen werde. Die EZB stellte die Anlei­he­käufe per Ende 2018 ein. Diese Massnahmen haben dazu geführt, dass die aggre­gierte Bilanz­summe der Noten­banken im Jahr 2018 erstmals seit 2008 leicht gesunken ist.

Die Beteue­rungen der Fed-Verant­wort­lichen, dass die Verkäufe markt­schonend über die Bühne gehen würden, schürten zunächst Hoffnungen, dass die Norma­li­sierung der Geldpo­litik gelingen würde. Aller­dings haben die Skeptiker recht behalten, die damals argumen­tierten, dass ein Liqui­di­täts­entzug früher oder später zu Entzugs­er­schei­nungen führen würde. Die US-Leitzins­er­hö­hungen und die gleich­zei­tigen Anlei­he­ver­käufe der US-Notenbank waren vermutlich ausschlag­gebend für den Einbruch der Aktien­märkte Ende 2018.

Kehrt­wende im Herbst 2019

Die Reaktion des Fed liess nicht lange auf sich warten: Mit der Ankün­digung von Zinssen­kungen und drei Leitzins­sen­kungen im zweiten Halbjahr 2019 haben sich die Märkte stark erholt. Die plötz­lichen Anspan­nungen am US-Repomarkt haben das Fed Mitte September zu massiven Liqui­di­täts­spritzen bewogen. Um das Problem zu lösen, kauft das Fed wieder Staats­pa­piere im Umfang von USD 60 Mrd. pro Monat. Obwohl das Fed den Begriff “QE” vermeidet, entspricht der Effekt den früheren QE-Programmen. Die Anlei­he­käufe hängen mit den sinkenden Treasury-Beständen auslän­di­scher Anleger zusammen. Auch die Tatsache, dass es sich für Europäer wegen der hohen Absiche­rungs­kosten kaum mehr lohnt, Treasuries zu kaufen, sorgt für eine sinkende Nachfrage. Weil es damit immer schwie­riger wird, das wachsende US-Budget­de­fizit zu finan­zieren, ist das Fed in die Bresche gesprungen. Die EZB kauft seit Mitte November ebenfalls wieder Anleihen im Umfang von EUR 20 Mrd. pro Monat. In der Annahme, dass die Bank of Japan ihre Käufe fortführt, dürften die vier grössten Noten­banken in den nächsten 12 Monaten Liqui­dität im Umfang von mehr als einer Billion US-Dollar in die Märkte pumpen.

Stütze für Risikoanlagen

Die vergan­genen Anlei­hen­kauf­pro­gramme haben die Entwicklung an den Finanz­märkten stark geprägt. Die Anleihen folgten aber nicht in jeder Phase dem erwar­teten Muster: In den USA bewegten sich die Bondren­diten in den ersten beiden Programmen (Q1 und QE2) nicht in die erwünschte Richtung. Erst mit der Operation Twist, in der kurzlau­fende Anleihen in länger­fristige Papiere umgeschichtet wurden, trat der erwartete Effekt ein. Die Bewegungen am Aktien­markt fielen jeden­falls konsis­tenter aus, lag doch die Perfor­mance in jedem QE-Zeitfenster über dem langfris­tigen Mittelwert. Es ist daher anzunehmen, dass Aktien auch von den nun aktivierten Programmen in den USA und der Eurozone profi­tieren. Bei den Anleihen dürften die Renditen kaum sinken, zumal diese bereits im Vorfeld des Programms unter Druck geraten sind. Zudem zeigen die Fonds­sta­tis­tiken, dass wieder Umschich­tungen von sicheren Anlagen (ohne Renditen) in unsichere Anlagen (mit höheren Renditen) getätigt werden.

Kurzfristig positiv – und langfristig?

In der kurzfris­tigen Perspektive sind die Anlei­hen­käufe eine positive Nachricht für die Finanz­märkte. Langfristig stellt sich die Frage, ob es den Noten­banken je gelingen wird, die Geldpo­litik zu norma­li­sieren. Die wachsende Kritik gegenüber dem schäd­lichen Negativ­regime in Europa könnte durchaus zu einem Umdenken führen. Dazu kommen auch Einge­ständ­nisse von Noten­bankern, dass sie kaum mehr in der Lage sind, sich selbst aus der Falle der lockeren Geldpo­litik zu befreien. Deutlich machte dies der schei­dende Präsident der EZB, Mario Draghi, als er bei seiner Abschieds­feier betonte, dass die Geldpo­litik ihr Ziel mit weniger Neben­wir­kungen erreichen könne, wenn die Finanz­po­litik ebenfalls darauf ausge­richtet sei. Der europäi­schen Fiskal­po­litik sind aufgrund des Fiskal­paktes jedoch klare Grenzen gesetzt. Eine weitere Aufwei­chung des Stabi­li­täts­paktes würde früher oder später das Vertrauen der Kapital­märkte in die Eurozone wieder unter­graben. Das Regelwerk des Stabi­li­täts­paktes sieht aller­dings vor, dass bei den Defizit­zielen die Kosten für struk­tu­relle Reformen und für besonders wachs­tums­för­dernde Inves­ti­tionen ausge­klammert werden können. Dieser fiska­lische Spielraum könnte die Eurozone zu einem Inves­ti­ti­ons­pro­gramm bewegen. Dass damit aber die Wachs­tums­schwäche überwunden und die Geldpo­litik gewis­ser­massen entlasten werden kann, ist eher zu bezweifeln.

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