Er gilt als einer der renommiertesten Experten zum Thema Nachfolge von Familienunternehmen in der Schweiz. Frank Halter ist Unternehmer (www.sgnafo.ch), Gründungsmitglied und heute Researchfellow des Center for Family Business der Universität St.Gallen und Urheber des St.Galler Nachfolge-Modells. Was treibt ihn an und was fasziniert ihn an Familienunternehmen? Dominik Staffelbach, Leiter Familienunternehmen von Rahn+Bodmer Co., fragt nach.
Herr Halter, was fasziniert Sie an Familienunternehmen?
Bei Familienunternehmen trifft die vordergründig rein rationale Unternehmensführung auf die Familie mit ihren Emotionen, den aus- und unausgesprochenen Wünschen und Erwartungen. Die Vermischung dieser beiden Welten, das Gefüge verschiedener Rollen und verschiedener Bedürfnisse, finde ich etwas vom Faszinierendsten, was es gibt.
Herr Halter, Sie gelten als einer der führenden Berater beim Thema Nachfolgeplanung. Welches sind die Erfolgsfaktoren für eine gelungene Stabsübergabe?
Wie bereits oben erwähnt, vereinen Familienunternehmen zwei Systeme: das System der Familie und jenes des Unternehmens. Abstrakt formuliert geht es um einen gesunden Mix zwischen einer Transaktions- und Entwicklungslogik. Was heisst das? Unter Transaktionslogik verstehe ich, dass die Nachfolge aus juristischer, steuerrechtlicher und finanzieller Sicht verbindlich strukturiert werden kann. Aber auf dem Weg dorthin spielt die Entwicklungslogik auf drei Ebenen eine entscheidende Rolle: bei jedem involvierten Individuum, innerhalb der Familie und innerhalb des Unternehmens. Diese Balance zwischen Transaktions- und Entwicklungslogik zu finden, ist höchst spannend. Die besten Nachfolgeregelungen gelingen dann, wenn beide Generationen die Nachfolge gemeinsam planen und auch gemeinsam realisieren. Das bedeutet nämlich, dass sich beide Generationen in dieselbe Richtung entwickeln.
Bei der Nachfolge von Familienunternehmen stellt sich immer wieder die Frage nach der Gerechtigkeit. Was raten Sie Unternehmer, die vor dieser Herausforderung stehen?
Bei dieser Frage muss erst geklärt werden, was man unter Gerechtigkeit versteht. Dabei helfen uns die verschiedenen Gerechtigkeitsprinzipien: Soll die Nachfolge nach dem Prinzip der Gleichheit (jedem das Gleiche), Verdienst (jedem nach seinen Leistungen), Bedürfnis (jedem nach seinen Bedürfnissen) oder nach Seniorität geregelt werden? Bei Familienunternehmen konkurrieren in den meisten Fällen die Prinzipien des Verdienstes und der Gleichheit. In der Praxis hat sich gezeigt, dass auf Familienebene Eltern die Gleichbehandlung der Kinder sehr wichtig ist, jedoch auf Unternehmensebene das Prinzip Verdienst an erster Stelle steht.
Worin unterscheidet sich Ihr Nachfolgemodell gegenüber anderen Ansätzen in der Schweiz?
Mein oben beschriebener Ansatz der Transaktions- und Entwicklungslogik ist der entscheidende Unterschied. Dies führt zum Bewusstsein, dass es unterschiedliche Nachfolgeformen gibt, die jeweils unterschiedliche Konsequenzen für das Unternehmen, wie auch für die Familie haben. Deshalb ist es sinnvoll, auch einen Plan B oder sogar C zu entwickeln. Das Denken und Handeln in Szenarien macht den Unterschied. Dabei ist es entscheidend, dass die beteiligten Personen offen für verschiedene Möglichkeiten sind, womit wir wieder bei der Entwicklungslogik angekommen wären.
Familienunternehmen gelten als beratungsresistent. Wie gehen Sie als Berater mit dieser Situation um?
Familienunternehmen haben eine duale Verantwortung. Meist liegen Eigentum und Führungsverantwortung in der gleichen Hand, das heisst sie sind vorsichtiger im Umgang mit Drittmeinungen. Deshalb spielt Vertrauen und ein langfristiger Horizont eine wichtige Rolle. Sinnvollerweise beginnt man als Berater mit einer Auslegeordnung, um die verschiedenen Handlungsfelder zu identifizieren. Dies hilft der Familie die Komplexität der Situation und die Rollen der einzelnen Mitglieder sowie deren Bedürfnisse zu erkennen. Die Nachfolgeplanung eines Familienunternehmens kann sehr umfassend sein. Niemand kann Themen wie Steuern, Finanzierung, Strukturierung oder auch Mediation alleine abdecken. Bei dieser Konstellation kann es sehr hilfreich sein, wenn eine externe Person den ganzen Prozess begleitet und Entscheidungsgrundlagen erarbeitet.
Das 1750 gegründete Familienunternehmen Rahn+Bodmer Co. ist die älteste Zürcher Privatbank. Die fünf Partner vertreten ihre Familien in dritter und vierter Generation. Die Nachfolgeregelung gehört auch für Rahn+Bodmer Co. zu den wichtigsten strategischen Aufgaben. Mit dem Eintritt von Jay Bidermann, Sohn von Martin Bidermann, ist bereits die kommende Generation in den stetigen Prozess der Nachfolgeplanung miteingebunden.
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