Von: Hannah Halbheer
Man schlendert trotz schönstem Frühlingstag durch abgedunkelte Museumsräume, reist um die Welt, stets der Kunst nach. Messen in Turin, Miami oder Paris. Eröffnungen in London und New York. Atelierbesuche in Berlin: Wer der Leidenschaft für die Kunst verfallen ist, scheut keinen Aufwand, keine Hürde, um den geliebten Meisterwerken um die Welt zu folgen.
Fast jeder Kunstsammler erinnert sich an sein erstes erstandenes Werk: Ein Schlüsselmoment, der Folgeanschaffungen ausgelöst hat. Das kann ein in einem Brockenhaus gefundenes Werk eines namenlosen Künstlers sein, eine Print-Edition oder der Ankauf einer Diplomarbeit eines befreundeten Kunststudenten. Doch gilt man aufgrund einiger Bilder an der Wand bereits als Kunstsammler? Im Duden wird «sammeln» wie folgt definiert: «Dinge, für die man sich interessiert, zusammentragen, um sie wegen ihres Wertes in grösserer Anzahl, wegen ihrer Schönheit o.Ä. aufzuheben». Eine passende Definition, die dem subjektiven Verständnis eines Kunstsammlers Spielraum lässt.
Wann ist ein Sammler ein Sammler?
Der Status Kunstsammler könnte dann erreicht sein, wenn Kunst keine reine Dekoration der Wohnzimmerwände mehr darstellt. Vielmehr müssten die Wohnzimmerwände erweitert werden, um den Werken mehr Platz zu bieten. So füllen sich Zollfreilager, profitieren Museen von hochkarätigen Leihgaben oder entstehen sogar private Museen. Privatsammlungen wie jene von Emil Bührle, Werner Merzbacher oder Hubert Looser fanden so ihren Weg als Dauerleihgaben ins Zürcher Kunsthaus. Christoph Blocher oder Nicola Erni haben ihren Sammlungen eigene Museen gewidmet – wie über unsere Landesgrenzen hinaus zum Beispiel auch die Kunstsammler Karen und Christian Boros in Berlin oder die beiden Luxusgüter-Magnaten Arnault und Pinault in Paris. Ein weiterer Hinweis dafür, dass der Ankauf von Kunstwerken über reine Dekorationszwecke hinaus geht, ist die Suche nach dem ultimativen Werk, der einzigartigen Ergänzung der eigenen Sammlung.
Fokus der Sammlung
Wer sich in der Merzbacher Sammlung im neuen Chipperfieldbau des Kunsthauses Zürich einmal um die eigene Achse dreht, taucht ein in ein buntes Farbenspiel – denn Farben bilden den Kern der Sammlung des Zürcher Kunstmäzens. Von frühen Arbeiten Kandinskys, die mit starken Blautönen bestechen, bis zu den mehrfarbigen Mobiles von Alexander Calder, die den Besuchern über den Köpfen schweben. Oft haben Sammlungen einen gewissen Fokus, lassen den Geschmack, die Wertvorstellungen oder Ideen des Sammlers durchblicken. Christoph Blocher ist zum Beispiel bekannt für seine Affinität für Schweizer Künstler. So beschränkt er sich auf einige wenige Namen wie Hodler, Segantini und Co. und sammelt ihre Werke in die Tiefe. Klassische Sammelgebiete reichen von bevorzugten Kunstrichtungen und Epochen über Alter oder Herkunft der Künstler oder Materialität. Gewisse verändern ihre Geschmäcker über die Jahre, andere kaufen Kunst zu Investitionszwecken. Die Gründe für das Sammeln von Kunst sind vielseitig und individuell. Doch die passenden Werke zu finden, kann durch die Komplexität des Kunstmarktes zu einer Herausforderung werden.
Die Marktplätze sind vielfältig
Die bekanntesten Kunsthandelsplätze sind Auktionshäuser und Galerien. London oder New York Evening Sales bei Christie’s und Sotheby’s sind im Normalfall jene, an denen mehr oder weniger ausschliesslich sogenannte Blue-Chip Kunst versteigert wird – und somit nur für einen sehr kleinen Teil der Welt erschwinglich ist. Anders hält es sich mit Day-Sales oder Online-Verkäufen. Kleinere, lokale Auktionshäuser eröffnen auch jenen Käufern Möglichkeiten, die kein zweistelliges Millionenbudget zur Verfügung haben. Die Handelsfelder von Galerien ziehen sich vom Sekundärmarkt bis hin zum Aufbau ganz junger Künstlerkarrieren. Sie stellen Programme an Künstlern zusammen, die sie ausstellen und vertreten. Neben den ganz grossen Namen wie Hauser+Wirth, Zwirner oder Gagosian gibt es unzählige weitere Galerien – lokale, internationale und solche mit einem bestimmtem Fokus.
Fast jede grössere Stadt ist mittlerweile Gastgeber einer Kunstmesse. Dort präsentieren lokale und internationale Galerien ihre besten Arbeiten – was dem Besucher die Möglichkeit gibt, sich effizient an einem Ort eine Übersicht zu verschaffen. Die grösste und wohl bekannteste Messe ist die Art Basel, die nebst Basel mittlerweile auch in Hong Kong, Miami und neustens auch in Paris stattfindet. Solch grosse Messen werden meist von kleineren begleitet: So bietet in Basel beispielsweise die LISTE parallel eine Plattform für junge und aufstrebende Galerien.
Online Viewing Rooms haben seit den Pandemiejahren an Bedeutung gewonnen. Viele Galerien richten ihre Ausstellungen auch online aus – schon länger gibt es Plattformen wie Artsy. Heute sind auch soziale Netzwerke wie Instagram eine exzellente Möglichkeit für junge Künstler, sich selbst zu präsentieren. Das ist insbesondere dann interessant, wenn er oder sie noch nicht von einer Galerie vertreten wird. Junge Künstler lassen sich in einer analogen Welt zum Beispiel auf Diplomausstellungen von Kunstschulen, «Off-Space»-Initiativen oder Studiobesuchen entdecken.
Künstler-Sammler Beziehung
Durch Studiobesuche, Auftragsarbeiten und dem engen Austausch zwischen Sammlern und Künstlern können tiefe Freundschaften entstehen – wodurch Sammler eine wichtige Position eines Patronats einnehmen können. Die schillernde Grande Dame Venedigs Peggy Guggenheim pflegte zu ihren Künstlern eine innige Beziehung: Sie organisierte Ausstellungen, gab Werke in Auftrag oder stellte die Künsterinnen und Künstler wichtigen Kuratoren vor. Einen heiratete sie sogar. Umgekehrt können grosse Sammlungen auch ihr Umfeld verändern. Uli Sigg war der erste, der chinesische Kunst in den Westen brachte: Heute ist das Reich der Mitte nach Amerika und den UK der drittgrösste Kunstmarktplatz der Welt. Die Familie Morozov hat im frühen 20. Jahrhundert in Russland französische Impressionisten ausgestellt, was das künstlerische Schaffen eines ganzen Landes beeinflusste.
Kunstsammeln ist weit mehr als eine Tätigkeit, es ist eine Leidenschaft. Wer sie einmal für sich entdeckt hat, wird ihr immer verfallen sein. Doch was gibt es Schöneres, als für etwas zu brennen, das Geist und Seele immer wieder aufs Neue bereichert?
Bei Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
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