In eigener Sache

See you in Basel

Von: Hannah Halbheer

Nach dem pande­mie­be­dingten Aussetzen des 50-jährigen Jubiläums, angespanntem Nachholen mit Masken und Zerti­fi­kats­pro­zedere, findet die Art Basel dieses Jahr seit 2019 zum ersten Mal wieder in gewohntem Rahmen statt. Preview PDFs der Galerien füllen die Postein­gänge, Einla­dungen zu den vielen Rande­vents, Apéros und Abend­essen flattern in die Brief­kästen. Die Vorfreude, aber auch die Anspannung wächst. «See you in Basel», dient bereits seit Monaten als eine in der Kunstwelt anerkannte Floskel zum Abschied von Bekannten.

 

«Art Basel is now open»: Am Diens­tag­morgen um 11 Uhr des 14. Junis 2022 hallt eine ruhige, elektro­nische Frauen­stimme über die Köpfe der geladenen VIP First Choice Gäste, die sich schon seit zwei Stunden im Innenhof des Basler Messe­ge­bäudes von Herzog und de Meuron bei Champagner und Austern über das bevor­ste­hende Messe­ereignis austau­schen. Die Luft elektri­siert, das Murmeln wird lauter, die Leute drängen sich gezielt, aber mit gespielter Gelas­senheit auf den Eingang zu.

Kunst­messen als inter­na­tionale Plattformen

Das Konzept der Kunst­messe etablierte sich mit der Art Cologne 1967 in Köln. Als Reaktion darauf wurde das Basler Pendent 1970 von den Galeristen Ernst Beyeler, Trudi Bruckner und Balz Hilt ins Leben gerufen. Weltweit fand seit der Jahrtau­send­wende ein regel­rechter Messeboom statt. Fast alle Städte haben heute eigene Kunst­messen, die zu zentralen Platt­formen für den globalen Kunst­markt wurden. Die Messe bringt sämtliche Akteure des Marktes zuein­ander. Sie schafft Raum, um zu sehen und gesehen zu werden. Diese vielseitige Präsenz ermög­licht es den Kunst­lieb­ha­benden, das gesamte Angebot in seiner Breite zu sichten und Vergleiche ziehen zu können.

Flagg­schiff Art Basel

Galerien machen einen entschei­denden Teil ihres jährlichen Umsatzes an Kunst­messen: Und das jeweils konzen­triert auf die wenigen Eröff­nungs­stunden, an die ihre wichtigsten Sammler einge­laden werden. Entspre­chend gross ist der Druck, an eben derje­nigen Messe präsent zu sein, die jeweils Mitte Juni Einzug in Basel hält: Die Art Basel gilt als Flagg­schiff sämtlicher Kunst­messen der Welt. Wenn sie in Basel, Miami Beach, Hong Kong oder ab Oktober dieses Jahres auch in Paris ihre Tore öffnet, ist jeder, der sich in der Kunstwelt bewegt in den jewei­ligen Messe­hallen anzutreffen. Von diesen inter­na­tio­nalen Besuche­rinnen und Besuchern profi­tieren auch die zahlreichen, gleich­zeitig statt­fin­denden Satel­li­ten­messen: So zum Beispiel die LISTE oder die June Art Fair, die im Gegensatz zur Art Basel weniger etablierte, aufstre­bende Positionen präsentieren.

Museum auf Zeit

Die Präsenz an der Art Basel ist für Galerien keineswegs selbst­ver­ständlich. Klare Kriterien und ein ausge­wähltes Komitee entscheiden über eine Teilnahme, die jeweils zum Gütesiegel und Quali­täts­be­stä­tigung insbe­sondere junger Galerien wird. Wer die Messe betritt, wird sich zuerst in der grössten Messe­halle finden, die zum Ausstel­lungsort für die sogenannte Art Unlimited wird. Diese umfasst gross­räumige und des Öfteren begehbare Werke einzelner Kunst­schaf­fenden. Die dort gezeigten Arbeiten würden den Rahmen und Platz der Galerien in den weiteren Stock­werken sprengen. Der Galleries Sektor ist das Herz der Messe, wo ca. 290 Galerien über zwei Stock­werke verteilt ihre Künst­le­rinnen und Künstler ausstellen. Die Messe wird dadurch zu einem sich wandelndem Museum, in dem temporär die aktuellsten (Markt-)Highlights verschie­denster Epochen ausge­stellt sind. So ist es am Basler Messe­platz möglich, am selben Tag durch eine Instal­lation von Urs Fischer zu spazieren, Basquiat-Leinwände, Bourgeois-Zeich­nungen oder Matisse-Collagen zu bewundern und junge, hippe Künstler zu entdecken.

Koordi­nierte Planlosigkeit

Die unter­schied­lichsten Künst­ler­po­si­tionen, die schil­lernden Persön­lich­keiten und das ganze Rahmen­pro­gramm der Messe lassen jene Besuche­rinnen und Besucher unter­gehen, die mit einem konkreten Plan nach Basel anreisen. Sich Zwischen­ziele und persön­liche Highlights zu setzen, Galerien-Stände und Unlimited Werke auf der Karte zu markieren gibt aller­dings eine gewisse Richtung vor. Ansonsten sollte man sich treiben lassen — auf die Stimmen hören, die im Hinter­grund von Positionen erzählen, einen spontan in das Studio oder die Vorstellung einer Künst­lerin oder eines Künstlers einladen. Und dabei ist eines unabdingbar: Bequemes Schuhwerk, denn Kunst erleben ist in Basel ein Ausdauersport.

Morgen, ab Donnerstag, 16. Juni, wird die Art Basel auch für die breite Öffent­lichkeit geöffnet sein. Jeder kann dann Kunst als Quelle der Inspi­ration nutzen und so viel davon aufsaugen, wie es nur geht: Denn auf die Art Basel folgt die Sommer­pause der Kunstwelt. Doch weil niemand zu lange auf eine solche Show verzichten kann, geht es im Herbst wieder weiter. In London und Paris. Oder vielleicht schon in Seoul, Südkorea, wo die Kunst­messe Frieze zum ersten Mal im September statt­finden wird. Aber bis zum 19. Juni gilt: See you in Basel!


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