Von: Michael Griesdorf
Weltweit leiden heute rund 55 Mio. Personen an Demenz. Das sind in etwa so viele, wie alle Einwohner von Italien. Jedes Jahr werden es zudem 3.4 % mehr. Dabei wissen Forscher bis heute nicht, was die Ursache von Alzheimer ist. Doch nun scheint sich das Rätsel zu lösen. Damit öffnet sich für die Pharmaindustrie und ihre Zulieferer ein riesiger neuer Zukunftsmarkt.
Laut der World Health Organization (WHO) werden bis 2050 rund 139 Mio. Menschen an Demenz leiden. Das sind rund 2.5‑mal mehr als heute, wobei bereits heute über 55 Mio. Personen an dieser Krankheit leiden.
Die Zahlen sind erschreckend, wenn man bedenkt, dass es bis heute keine zugelassenen Medikamente zur effektiven Behandlung von Demenz gibt. Dabei verursacht Demenz nicht nur unsägliches Leid für die Betroffenen und Angehörigen. Demenz gehört zu den 7 meisten Todesursachen. Auch für die Gesellschaft generiert sie jedes Jahr erhebliche Kosten. Bereits 2019 betrugen die finanziellen Aufwendungen zur Pflege von Demenzpatienten laut der WHO weltweit USD 1.3 Bio. 2030 werden sie gemäss der Organisation gar bei USD 1.7 Bio. liegen.
Erstes Zwischenziel – Verlauf verlangsamen
Umso grösser ist schon seit Jahren die Hoffnung auf wirksame Arzneimittel. Jene Wirkstoffe, welche heute auf dem Markt erhältlich sind, behandeln nur die Symptome, sorgen jedoch nicht dafür, dass die Krankheit geheilt oder zumindest deren Verlauf verlangsamt werden kann.
Letzteres ist nun jedoch den beiden Pharmakonzernen Eisai aus Japan und Biogen aus den USA endlich gelungen. Ihr gemeinsam entwickeltes Medikament Lecanemab sorgt laut Daten einer zulassungsrelevanten klinischen Studie der Phase III dafür, dass sich der Rückgang der kognitiven Funktion von Patienten mit Alzheimer – der häufigsten Form von Demenz – während 18 Monaten im Vergleich zu Patienten ohne das Mittel, um 27% reduzieren lässt.
Der Zulassungsantrag soll nun möglichst schnell den Gesundheitsbehörden in den USA als auch in Europa und Japan zugestellt werden. Angesichts des hohen medizinischen Bedarfs für den Wirkstoff ist davon auszugehen, dass die Behörden die Zeit bis zur Zulassung deutlich verkürzen. Die US-Gesundheitsbehörde FDA bspw. hat Eisai und Biogen bereits einen Priority-Review-Prozess versprochen. Das heisst, dass sie nach Einreichung des Zulassungsantrags einen Entscheid innerhalb von 6 statt wie üblich 10 Monaten fällen wird.
Licht am Ende des Tunnels
Die bisherige Geschichte der Entwicklung von Alzheimer-Wirkstoffen ist von etlichen Misserfolgen geprägt. Weil bis anhin nicht klar war, welches Ziel im Körper die Pharmaunternehmen überhaupt bekämpfen sollen, scheiterten bis vor Eisai/Biogen alle Akteure mit ihren Versuchen. Zwar wissen Forscher heute, dass zwei verschiedene Eiweissablagerungen im Hirn charakteristisch für die Alzheimer-Krankheit sind. Es sind Beta-Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen. Ob diese jedoch für Alzheimer verantwortlich, oder einfach eine Begleiterscheinung der Krankheit sind, war bisher nicht eindeutig ersichtlich.
Noch haben Eisai/Biogen ihre Daten nicht von einem unabhängigen Fachgremium prüfen lassen. Dennoch scheint der heilige Gral in der Alzheimer-Forschung nach der Erfolgsmeldung zu Lecanemab zum Greifen nah, denn das Medikament sorgt für eine Reduktion von Beta-Amyloid im Hirn. Da dieser Wirkmechanismus zu einer Verlangsamung der Krankheit führt, erscheint es logisch, dass Beta-Amyloid also tatsächlich für Alzheimer verantwortlich ist.
Ein relevanter Zukunftsmarkt
Für die Pharmaindustrie öffnet sich damit ein Multi-Milliardenmarkt. Zum Vergleich: 2020 litten laut dem World Cancer Research Fund International rund 18.1 Mio. Menschen an Krebs. Bei Alzheimer sind es aktuell rund drei Mal mehr. Dabei wird mit Krebsmedikamenten heute mit Abstand am meisten Geld verdient. Rund 22 % aller Ausgaben für verschreibungspflichtige Arzneimittel fallen laut dem Pharmadatenanbieter Evaluate bis 2026 auf diese Kategorie.
Noch lassen sich mit Lecanemab gemäss den bisher verfügbaren Informationen zwar nur milde Formen von Alzheimer behandeln. Auch werden sich die Wissenschaftler sowie Krankenkassen erst darüber im Klaren werden müssen, ob eine Verlangsamung der kognitiven Leistung um 27 % genug ist, damit Lecanemab als klinisch relevant gilt. Doch auch bei Krebs waren die ersten Medikamente, nachdem man erste Ziele im Körper identifizieren konnte, an welchen die Wirkstoffe ansetzen konnten, am Anfang nur begrenzt wirksam. Schritt für Schritt wurden die Arzneimittel jedoch immer besser.
Auch Schweizer Unternehmen in der Pole Position
Das Thema ist auch für den Schweizer Forschungsplatz relevant. Neben Eisai/Biogen wird demnächst auch Roche mit ihrer Partnerin AC Immune aus Lausanne Daten zu einem Alzheimer-Medikament bekannt geben (Gantenerumab), das ebenfalls gegen Beta-Amyloid wirkt. Auch für die beiden Schweizer Gesellschaften stehen die Chancen nun gut, dass ihr Mittel wirkt. Doch nicht nur sie sind in der Pole Position. Gemäss der Alzheimers Association aus den USA sind alleine in den Vereinigten Staaten derzeit 172 klinische Studien zu 143 Medikamenten gegen Alzheimer am Laufen. 31 davon befinden sich bereits in der zulassungsrelevanten Phase III.
Schlüsselrolle der Pharmaauftragsfertiger
Angesichts der zahlreichen Medikamente, die derzeit in der Entwicklung sind, stellt sich nebenbei auch die Frage, ob die Pharmabranche über genügend Kapazitäten verfügt, um alle diese Wirkstoffe zu produzieren. Abhilfe schaffen könnten Pharmaauftragsfertiger wie Lonza aus der Schweiz oder Samsung Biologics aus Südkorea, die sich auf die Produktion von biologische Arzneimittel für Dritte fokussiert haben.
Rahn+Bodmer Co. setzt in der Wahl von Aktien primär auf gut geführte Unternehmen, mit einer starken Marktstellung, die gleichzeitig ein Höchstmass an Innovationskraft an den Tag legen. Die jüngsten Ereignisse rund um Alzheimer zeigen, wie innovativ gerade die Gesundheitsbranche nach wie vor ist, weshalb wir auf diesen Sektor unter anderem ein Schwergewicht legen. Dabei achten wir auf eine gute Diversifikation, um Einzelrisiken zu vermeiden.
Bei Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
notablog@rahnbodmer.ch
Disclaimer:
Die Informationen und Ansichten in diesem Blog dienen ausschliesslich Informationszwecken und stellen insbesondere keine Werbung, Empfehlung, Finanzanalyse oder sonstige Beratung dar. Namentlich ist dieser weder dazu bestimmt, dem Leser eine Anlageberatung zukommen zu lassen, noch ihn bei allfälligen Investitionen oder sonstigen Transaktionen zu unterstützen. Entscheide, welche aufgrund der vorliegenden Publikation getroffen werden, erfolgen im alleinigen Risiko des Anlegers.
Weitere Beiträge von Michael Griesdorf