Interview mit: Dr. Christiane Roth-Godat, Stiftungsratspräsidentin Stiftung Ilgenhalde
Was hat Sie dazu bewogen, das Mandat als Stiftungsratspräsidentin in der Stiftung Ilgenhalde anzunehmen?
Ich hatte die Stiftung in der Vergangenheit finanziell etwas unterstützt und übernahm von einer Freundin ihre Aufgaben im Stiftungsrat. Als der vorherige Präsident 2016 krank wurde, war ausser mir niemand bereit, dieses Amt zu übernehmen und so habe ich zugesagt. Dies geschah aus meiner Überzeugung heraus, dass ich auch nach meiner Pensionierung aktiv sein und einen Beitrag für die Gesellschaft leisten möchte. Mein Amt begeistert mich. Die Klientinnen und Klienten der Ilgenhalde sind meist mehrfach behinderte Menschen, die ein Leben lang Begleitung und Unterstützung brauchen. Zusammen mit unseren sehr gut ausgebildeten und geschulten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schaffen wir für diese Menschen ein Umfeld, in dem sie vom Moment an, wo sie zu uns kommen bis ans Ende ihres Lebens bleiben können, wenn es für alle stimmt. Das ist eine grosse Aufgabe und für alle Beteiligten enorm anspruchsvoll.
Welche Werte stehen für die Stiftung Ilgenhalde an oberster Stelle?
Wir wollen für Menschen, die beeinträchtigt sind, ein Zuhause schaffen. Ein Zuhause, das ihnen ein Leben bietet, wo sie sich nach ihren Möglichkeiten entfalten können und dies bis zu ihrem Lebensende. Damit dies möglich ist, gehören Respekt, Wertschätzung und möglichst wenig repressive Massnahmen zu unseren Leitplanken.
Was berührt Sie, wenn Sie durch die Räumlichkeiten der Stiftung gehen?
Was mich am meisten berührt, ist zu sehen, wie engagiert sich Mitarbeitende und Lehrpersonen um die Kinder kümmern. Das heisst, sie unterstützen sie mit allen Mitteln in ihrer Entwicklung und freuen sich von ganzem Herzen über die Fortschritte, die die Kinder und Jugendlichen machen. Es ist berührend zu sehen, wie Menschen, die mit wenig Substanz zu uns kommen, sich in einem Umfeld wie in der Ilgenhalde entwickeln können. Seien es Kinder, Jugendliche oder Erwachsene.
Welche Strukturen bietet die Ilgenhalde erwachsenen Personen?
Auch hier unterscheidet sich die Ilgenhalde von anderen Institutionen. Wir stellen unseren Bewohnerinnen und Bewohnern eine Tagesstruktur zur Verfügung, die ihren Bedürfnissen entspricht und ihnen eine Befriedigung gibt. Die Menschen, die in der Ilgenhalde leben, brauchen einen geschützten Rahmen, um ihr Leben meistern zu können. Deshalb produzieren wir auch nicht auf Auftrag oder lassen Sachen herstellen, die danach verkauft werden müssen. Die Tagesstruktur ist da, um unseren Klientinnen und Klienten eine Aufgabe zu geben, nur das zählt.
Gibt es Leistungen, die nicht vom Bund oder Kanton finanziert werden, und für welche die Stiftung auf Spenden angewiesen ist?
Es gibt klare Richtlinien, welche Kosten die Kantone Zürich und Schaffhausen übernehmen. Es gibt immer wieder gewisse Dinge, die nicht gedeckt sind und einen grossen Mehrwert bedeuten, wie zum Beispiel das Therapiereiten. Diese Projekte ermöglicht die Stiftung über Spenden.
Das Thema Gesundheit begleitet Sie seit Ihrem Medizinstudium. Wie sieht Ihre Wunschvorstellung unseres Gesundheitssystems in 10 Jahren aus?
Ich wünsche mir in erster Linie, dass die Menschen ihre Eigenverantwortung stärker wahrnehmen. Dass sie sich geistig und körperlich bewegen, sich vernünftig ernähren und auf ihre Gesundheit achten. Damit einher kommt die Überlegung, was jede einzelne Person dafür tun kann, dass sie möglichst gesund alt werden kann. Eigenverantwortung heisst auch, dass man nicht wegen jeder Kleinigkeit gleich zum Arzt rennt und – falls man nicht auf dem tiefsten Einkommensniveau ist — kleinere Dinge auch selbst bezahlt. Damit würden wir die Krankenkassen entlasten. Ich wünsche mir auch, dass wir die Überversorgung angehen und die Unterversorgung beseitigen und dass damit das ganze System solidarischer wird.
Dr. Christiane Roth-Godat ist Stiftungsratspräsidentin der Stiftung Ilgenhalde. Sie ist selbständig mit eigener Firma und vor allem als Stiftungs- und Verwaltungsrätin im Gesundheitswesen tätig.
Weitere Beiträge von Carmen Jud