In eigener Sache

Rasche psycho­lo­gische Hilfe

Im Interview mit Carmen Jud erzählt Carmen Brunner, was sie dazu bewogen hat, die Plattform BeWell.help zu gründen und weshalb es so wichtig ist, dass psycho­lo­gische Unter­stützung ohne Wartezeit verfügbar ist.

Carmen Brunner, was war der Antrieb für die Gründung von BeWell.help?

Ich habe die schwere Zugäng­lichkeit zu freien, schnell verfüg­baren Terminen für mentale Gesund­heits­an­gebote im Jahr 2014 persönlich erlebt. Mehrere, kurz aufein­an­der­fol­gende, sehr belas­tende Ereig­nisse in verschie­denen Lebens­be­reichen führten dazu, dass ich mich in einer persön­lichen Krise befand. Also suchte ich profes­sio­nelle Hilfe. Die Online-Suche nach einem oder einer passenden Psycho­login war nicht nur langwierig und hürden­reich, sondern auch die Termin­ver­ein­barung war äusserst umständlich. Falls ich tatsächlich jemanden ans Telefon bekommen habe, so waren entweder keine Kapazi­täten vorhanden oder nur solche mit einer Warte­frist von drei Monaten.

Du hast den Mangel also selbst erfahren.

Ja, ich habe damals über 20 Anruf­ver­suche bei verschie­denen Fachper­sonen getätigt. Dies war zusätzlich zu meiner psychi­schen Krise eine grosse Belastung. Recherchen in meinem Umfeld haben dann ergeben, dass es vielen ähnlich erging, die psyscho­lo­gische Hilfe benötigten. Es war schnell klar, dass ich mit den heutigen techno­lo­gi­schen Möglich­keiten etwas gegen dieses Versor­gungs­problem unter­nehmen kann. So entstand die Idee für Bewell.help.

Welches Ziel verfolgst du mit dieser Plattform?

Einfacher, nieder­schwel­liger Zugang zu psycho­lo­gi­scher Hilfe und mentaler Gesund­heits­för­derung soll für alle möglich sein. BeWell.help ist ausge­richtet auf den mentalen Gesund­heits­be­reich und bündelt Angebote von der Prävention bis hin zur Krisen­be­wäl­tigung. Die Plattform verbindet Hilfe­su­chende und Anbie­tende auf einfache, zeitge­mässe Art und mit hilfreichen branchen­spe­zi­fi­schen Funktionen. Auf der Plattform finden Inter­es­sierte unter anderem Orien­tierung für die Auswahl der geeig­neten Methode, lernen Therapien kennen, an die man vielleicht nicht als erstes denkt und können vor allem Vor-Ort oder Online-Sitzungen buchen. Dies alles geschieht zudem mit daten­schutz­kon­former Technologie.

Mentales Leiden ist immer noch stigmatisiert.

Da hat sich in der Zwischenzeit zum Glück doch einiges getan. Aber ja, ein weiteres Ziel unserer Plattform ist, dass mentale Gesund­heits­an­gebote nicht nur zugäng­licher, sondern durch unsere Sensi­bi­li­sie­rungs­arbeit auch präsenter und damit alltäg­licher werden. Meine Vision ist, dass die Angebote im mentalen Gesund­heits­be­reich zum Alltag gehören, dass es ganz natürlich ist, mit Coaches und Thera­peuten regel­mässig im Austausch zu stehen. Solche Gesprächs­sit­zungen sollen so selbst­ver­ständlich sein, wie der Besuch beim Coiffeur.

Woher hast du die Energie für dieses umfas­sende und langjährige Projekt?

Vom Wissen, dass wir mit unserer Lösung sehr vielen leidenden Menschen helfen können. Ich weiss, wie schlimm es ist, in einem beein­träch­tigten Zustand nicht nur lange nach Hilfe suchen zu müssen oder auf einen Termin zu warten. Wer Hilfe benötigt, soll diese umgehend erhalten. Es kann doch nicht sein, dass ich Flüge, Hotels und Restau­rant­be­suche innerhalb von Sekunden online buchen kann, nicht aber psycho­lo­gische Hilfe bekomme, wenn ich sie am dringendsten brauche.

Welches waren bisher deine grössten Herausforderungen?

Der Aufbau einer Plattform neben einem 100 % Job. Insgesamt war der Prozess von vielen kleinen Schritten, einzelnen vermeint­lichen Sackgassen und ein paar Enttäu­schungen geprägt. Zweimal wählte ich für den Aufbau der Plattform und der dazuge­hö­rigen Software technische Partner, die der Komple­xität des Auftrages nicht gewachsen waren. Die Geduld und die Zeit, die ich diesem Projekt widmete, hat mir zu guter Letzt eine Begegnung mit dem richtigen Webde­signer beschert. Von da an hat die Entwicklung Fahrt aufgenommen.

Was steht dir noch bevor?

Die aktuell grösste Heraus­for­derung sind unsere knappen Arbeits­res­sourcen. Um neue Mitar­bei­tende einstellen zu können, reichen die eigenen Mittel nicht. Die Plattform ist immer noch selbst­fi­nan­ziert und die Suche nach weiteren finan­zi­ellen Mitteln ist wiederum enorm zeitin­tensiv. Wir sind ein kleines Kernteam bestehend aus nur drei Personen und sind stark ausge­lastet mit dem Platt­form­be­trieb. Es bleibt wenig Zeit für anderes. Wir möchten durch­starten und hoffen auf eine Türe, die irgendwo aufgeht.

Wie sieht dein Wunsch­sze­nario für in fünf Jahren aus?

Unser Ziel ist, möglichst viele Leistungs­er­brin­gende zu erreichen und für unsere Plattform zu gewinnen, denn BeWell.help schafft optimale Kondi­tionen und sichere Inter­ak­tionen für Hilfe­su­chende. Unsere Plattform bietet eine Lösung für das Versor­gungs­problem, freie Kapazi­täten können umgehend zentral gefunden und gebucht werden. In Zusam­men­arbeit mit wichtigen Schlüs­sel­partnern wie beispiels­weise Kranken­kassen und anderen Insti­tu­tionen könnten wir unsere Lösung schneller schweizweit ausrollen. 

Wenn wir in 5 Jahren mindestens das Versor­gungs­system in der Schweiz und idealer­weise auch schon in der DACH-Region nachhaltig verbessert haben, wäre das Wunsch­sze­nario erfüllt.


Weitere Beiträge von