Gemessen an den Kursavancen seit Anfang Jahr, herrscht an den europäischen Aktienmärkten derzeit eine gute Stimmung. So notiert der EuroStoxx 600 beispielsweise rund 9 % höher. Die Schweizer Indizes SPI und SMI liegen aktuell 8 % beziehungsweise 5 % im Plus.
Das Umfeld bleibt schwierig
Aus ökonomischer Sicht bleibt das Umfeld aber fragil. In Europa sehen sich die Bürger mit einer hartnäckigen Kerninflation konfrontiert, was deren Reallöhne und damit deren Lust auf Konsum schmälert. So sind die letzten verfügbaren Retail-Umsatzahlen im Euroraum im Vergleich zum Vorjahr um 2.6 % zurückgefallen. Hinzu kommt, dass sich auch China – einer der weltweit grössten Exportmärkte vieler Branchen in Europa – nach dem Ende von Covid-19 schwächer entwickelt als erwartet.
Der Dienstleistungssektor hat die Nase vorne
Die Chinesen nutzen zwar die neu gewonnene Freiheit, was sich unter anderem in wieder zahlreicheren Restaurantbesuchen äussert. Der Konsum von Gebrauchsgegenständen ist jedoch nach wie vor nicht auf dem Niveau von vor der Pandemie.
Zu sehen ist dies an der Divergenz zwischen den Werten vom Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor und das verarbeitende Gewerbe. Während der erste Indikator eine klar anziehende Nachfrage erwarten lässt, deutet der Zweite auf eine Kontraktion hin. Ein ähnliches Bild ist auch in den USA zu sehen. Über all dem hängt das Damoklesschwert von weiteren Zinserhöhungen der Notenbanken sowohl in Europa als auch in den USA. Es lohnt sich also noch stärker als sonst, auf die fundamentale Stellung der Firmen zu achten, in die man investiert.
Die Kundin ans Unternehmen binden
Besonders wichtig ist im aktuell unsicheren wirtschaftlichen Umfeld der Fokus auf Unternehmen, die prognostizierbare Umsätze haben. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Visibilität eines Geschäftsmodells. So lassen sich negative Überraschungen in Form von Gewinnwarnungen vermeiden, wie sie in jüngster Zeit ja auch bereits vermehrt aufgetreten sind.
Am einfachsten lassen sich Gesellschaften mit einer hohen Visibilität naturgemäss in defensiven Sektoren wie dem Basiskonsum oder der Pharmaindustrie identifizieren. Es gibt aber auch Unternehmen, deren Risiko von Gewinnwarnungen dank einem soliden Geschäftsmodell gering ist, auch wenn sie sich in zyklischen Märkten befinden. Eine hohe Visibilität bieten Firmen unter anderem beispielsweise auch dann, wenn deren Erlöse auf wiederkehrenden Verkäufen basieren: Wenn es dem Unternehmen also gelingt, dem Kunden ein Produkt zu verkaufen, dass sich letztlich nur mit kompatiblen Verbrauchsmaterialien betreiben lässt.
Viele Investoren sprechen in diesem Zusammenhang unter anderem vom HP-Modell. Dies weil HP mit dem Geschäft mit Druckern und den dazugehörigen Farbpatronen erfolgreich geworden ist. Dabei dienen die Drucker nur als Mittel zum Zweck und sind oft relativ günstig. Wirklich Geld verdienen die Amerikaner mit den Patronen, die es für den Betrieb der Drucker braucht.
Abonnements schaffen Vorhersehbarkeit
In der Praxis begegnet man den unterschiedlichsten Ausprägungen, wenn es um wiederkehrende Verkäufe geht. Nebst dem HP-Modell, das im Übrigen auch oft in der Medizinaltechnik sowie in der Konsumelektronik und der Lebensmittelverpackungsindustrie anzutreffen ist, gibt es auch die Möglichkeit des Verkaufs von Software auf Abo-Basis (Software-as-a-Service; SaaS). Oft werden die Programme mittlerweile direkt vom Server des Anbieters online abgerufen beziehungsweise genutzt und nicht mehr für einen Fixpreis einmalig erworben. Damit entfallen für den Kunden zwar Wartungsarbeiten und oft auch Anschaffungskosten bei der Hardware. Auch die Flexibilität nimmt zu. Meist erhöht sich damit aber auch die Abhängigkeit vom Hersteller der Software. Wenig erstaunlich preisen denn auch die meisten Software-Anbieter rund um die Welt das SaaS-Modell heute gerne an.
Auch das Servicegeschäft geniert wiederkehrende Umsätze
Weiter verschafft auch das Servicegeschäft, das nach dem Kauf von diversen Produkten anfällt, eine hohe Vorhersehbarkeit. Zu finden ist es, in den unterschiedlichsten Branchen. Oft jedoch dort, wo die Güter, die verkauft werden, relativ langlebig sind, dafür aber einer regelmässigen Wartung bedürfen. Da es sich beim Servicegeschäft um eine Dienstleistung handelt und damit keine Kosten für die Herstellung anfallen, sind die Margen bzw. die Kapitalrenditen dort denn auch meist relativ hoch.
Kursschwankungen minimieren
Die Liste der oben angeführten Beispiele ist nicht abschliessend. Bei allen Firmen mit einem Geschäftsmodell, das auf wiederkehrenden Verkäufen basiert, lässt sich jedoch sagen, dass Investoren mit ihnen das Risiko von Gewinnwarnungen und damit auch die Gefahr von starken Kursschwankungen minimieren können. Um die Spreu vom Weizen zu trennen, bedarf es jedoch einer umfassenden Analyse.
Disclaimer:
Die Informationen und Ansichten in diesem Blog dienen ausschliesslich Informationszwecken und stellen insbesondere keine Werbung, Empfehlung, Finanzanalyse oder sonstige Beratung dar. Namentlich ist dieser weder dazu bestimmt, der Leserin oder dem Leser eine Anlageberatung zukommen zu lassen, noch ihn bei allfälligen Investitionen oder sonstigen Transaktionen zu unterstützen. Entscheide, welche aufgrund der vorliegenden Publikation getroffen werden, erfolgen im alleinigen Risiko des Anlegers.
Weitere Beiträge von Michael Griesdorf