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Der Hörge­rä­te­markt — eine Übersicht

Die Weltbe­völ­kerung wird immer älter. In der Schweiz werden Männer im Schnitt 82 Jahre alt, Frauen sogar über 85 Jahre. Dies führt dazu, dass weltweit mittler­weile 15 % aller erwach­senen Personen von einem Hörverlust betroffen sind. Die zuneh­mende Überal­terung ist und bleibt somit der Haupt­treiber für den Hörgerätemarkt.

Der Hörge­rä­te­markt im Überblick

Nach Angaben des Population Reference Bureau waren in den Verei­nigten Staaten im Jahr 2016 rund 46 Mio. Menschen älter als 65, 2060 werden es mehr als doppelt so viele sein. Demzu­folge soll der Markt bis 2025 jährlich um 7 % wachsen. Ebenfalls ein Treiber für das Wachstum ist die tiefe Durch­drin­gungsrate bei Hörge­räten. Bei Menschen mit schweren Hörschäden liegt die Quote von Hörge­rä­te­trägern zwar bei hohen 70 %, bei mittel­schweren oder leichten Hörschäden tragen aber nur 50 % resp. 10 % ein Hörgerät (Abbildung 1). Pro Jahr werden aktuell rund 16 Mio. Geräte verkauft, die im Premium-Bereich bis zu CHF 4’000 kosten. 45 % der Geräte werden in Europa verkauft, 28 % in den USA, 17 % in Asien und 10 % im Rest der Welt. Zu 52 % verkaufen sogenannte unabhängige Audio­logen die Geräte direkt an Kunden. Diese Audio­logen übernehmen die Beratung sowie die indivi­du­ellen Anpas­sungen der Geräte. Weitere Vertriebs­kanäle sind der Detail­handel mit 35 %, Apotheken mit 10 % und Online-Kanäle sind für 3 % der Verkäufe verantwortlich.

 

Marktanteile, Penetration und Wachstum Hörgerätemarkt

Die Markt­teil­nehmer

Der Markt wird von vier grossen Unter­nehmen dominiert. Mit etwa 30 % Markt­anteil ist der Schweizer Hersteller Sonova Markt­führer. Das Schweizer Unter­nehmen, welches aus Phonak hervor­ge­gangen ist, tritt mit den Marken Phonak, Hansaton sowie Unitron auf. Die Nummer zwei mit aktuell knapp 27 % ist der dänische Produzent William Demant, dem die Marke Oticon sowie die ehemalige Schweizer Marke Bernafon gehören. Auf Platz drei folgen die beiden fusio­nierten Unter­nehmen Sivantos/Widex mit einem Anteil von 20 %. Die Nummer vier ist GN Nord, welche vor allem auch im Bereich der Audio Kommu­ni­kation (Headsets für Firmen) globaler Markt­führer ist.
In den letzten zwei Jahren prägte eine Innova­ti­ons­welle die Branche. Die Konnek­ti­vität mit Telefonen und anderen Geräten sowie die Lademög­lichkeit der Batterien sorgten dafür, dass die Unter­nehmen ihre Preise erhöhen und die Renditen ausweiten konnten. Von den drei grossen Anbietern Sonova, Demant und GN Nord lancierte GN Mitte 2018 ihre letzte Generation namens Linx Quattro und konnte durch den sogenannten «Early Mover Vorteil» deutlich Markt­an­teile gewinnen. Ende 2018 folgte Sonova mit ihrer neuen Modell­reihe Marvel bevor 2019 das Update von Demant namens Opn S auf den Markt kam.

Sonova legt nach Produkt Update wieder zu

Um die Qualität der Hörgeräte zu messen, sind die Daten der US Adminis­tration of Veterans Affairs (VA) die aussa­ge­kräf­tigste Quelle (Abbildung 2). Dieses Kriegs­ve­te­ra­nen­mi­nis­terium, welches für Leistungen an Veteranen und deren Familien zuständig ist, ist mit 25 % aller verkauften Hörgeräte der grösste Käufer in den USA. VA ist zwar auf dem globalen Markt für nur 7 % der Absätze verant­wortlich, doch die Bestel­lungen sind auf Techno­logie und Service ausge­richtet und der Preis spielt keine Rolle. Damit ist die monat­liche Daten­er­fassung ideal, um den Wettbewerb der Unter­nehmen zu messen. Zwei Mal im Jahr, im Mai und November, können die Hersteller ihre Produkt-Updates einreichen.
Die Daten von Mai und Juni 2019 zeigen, dass Sonova nach langer Durst­strecke und Verlusten beim Markt­anteil durch das neue «Marvel-Produkt» wieder stark zulegen konnte. Das Gerät überzeugt durch sehr gute Audio-Eigen­schaften und eine universale Konnek­ti­vität auf Kosten der Batte­rie­dauer. Auch Demant mit Opn S konnte den Markt­anteil leicht steigern und darf weiterhin als führend in Sachen Audio­qua­lität bezeichnet werden. Markt­an­teile einbüssen mussten die Unter­nehmen GN Nord sowie Silvantos/Widex und Starkey, deren Produkte bereits seit mehr als einem Jahr am Markt sind. GN Nord ist es aber gelungen, bei der Audio­qua­lität aufzu­holen sowie eine bisher unerreichte Batte­rie­dauer zu gewährleisten.

Marktanteil in der Administration of Veterans Affairs

Der Fachhandel könnte Markt­an­teile verlieren

Da die USA vermutlich Ende 2019 ein neues Gesetz verab­schieden, welches bei leichten bis mittel­schweren Hörschäden auch den Verkauf von OTC-Produkte («over-the-counter») vorsieht, nimmt das Risiko von ernst zu nehmenden, günstigen Nachah­mer­pro­dukten zu. Diese Produkte brauchen keine profes­sio­nelle Anpassung durch einen Audio­logen, womit ein Grossteil der Kosten entfällt. Der Durch­schnitts­preis dürfte sich bei USD 350 bewegen, während der Durch­schnitts­preis für die Premium-Geräte bei über USD 2’500 liegt. Die OTC-Geräte beschleu­nigen auch den Trend hin zu «Remote Fitting», das heisst die Anpassung von Geräten zu Hause. Während OTC generell Druck auf die Hersteller ausübt, bedeutet Remote-Fitting eher ein Risiko für die Audio­logen. Firmen wie Bose oder InnerScope haben unlängst bekannt gegeben, günstige Nachah­mer­pro­dukte auf den Markt zu bringen. Auch Apple oder Samsung haben Einstiegs­ab­sichten geäussert. Die Reaktion der führenden Hersteller wird sein, ihre Produkte ebenfalls günstiger auf den Markt zu bringen. Dieser Effekt könnte die Markt­durch­dringung bei leichten Hörschäden erhöhen und damit den Absatz sogar steigern. Dies dürfte aber zu einem tieferen durch­schnitt­lichen Verkaufs­preis und einer tieferen Marge führen.
Die Konso­li­dierung im Einzel­handel ist ein weiteres Risiko, welches für Preis­druck in der Branche sorgen könnte. Früher war es üblich, dass die Hörgeräte-hersteller ihre Produkte über ein grosses Netz unabhän­giger Audio­logen verkauft haben. Heute werden grosse Ketten wichtiger. Diese verkaufen ihre Produkte meist günstiger als Einzel­händler. Ebenso sind solche Ketten bereit, Online-Verkäufe in Kombi­nation mit «Remote-Fitting» anzubieten, was den Preis weiter drückt. Diese Entwicklung zwingt die Hersteller, eigene Verkaufs­flächen zu eröffnen.

Fazit

Auch wenn der attraktive Hörge­rä­te­markt unter anderem vom Trend der Überal­terung profi­tiert, gehen wir davon aus, dass nach einer Innova­ti­ons­phase mit steigenden Preisen, der Druck auf die Unter­nehmen wieder zunimmt. Gründe dafür sind vor allem der Bereich OTC sowie der vermehrte Verkauf der Produkte im Retail-Kanal sowie online. So werden die Hörge­rä­te­her­steller aufge­fordert, dieser Entwicklung mit weiteren, sinnvollen Innova­tionen zu begegnen. Welche das sind, bleibt abzuwarten. Neben dem Remote-Fitting und einer realeren Audio­leistung im Alltag ist es vorstellbar, dass die Unter­nehmen vermehrt in den E‑Gesundheitsbereich vorstossen. Dies zum Beispiel mittels Sensoren zum Messen von Blutdruck, Zucker oder Puls. Auch denkbar ist, dass die Geräte Synchron­über­setzung sowie Texterfassung anbieten. Wir sind gespannt, was die Zukunft bringen wird.

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