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Die Natio­nalbank zeigt Eigenständigkeit

Der Entscheid der Schwei­ze­ri­schen Natio­nalbank (SNB) von letzter Woche, die Leitzinsen und den Strafzins auf Sicht­ein­lagen der Banken nicht weiter zu senken, ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Ob der «Nullent­scheid» der SNB als Zeichen dafür zu inter­pre­tieren ist, dass sie nunmehr eine eigen­stän­digere Geldpo­litik verfolgt, bleibt offen. In einer mittel- und länger­fris­tigen Perspektive ist es aber notwendig, dass sich die SNB weiter von der EZB und deren «What ever it takes- Geldpo­litik» abnabelt. Mehrere Gründe sprechen dafür.

Noten­banken strapa­zieren ihre Mandate

Die Noten­banken erhalten ihre Aufträge — norma­ler­weise — von den Gesetz­gebern. Das Mandat der SNB ist im Natio­nal­ban­ken­gesetz festgelegt. Letzteres betraut die SNB mit der Aufgabe, die Preis­sta­bi­lität zu gewähr­leisten und dabei der konjunk­tu­rellen Entwicklung Rechnung zu tragen. Die SNB legte das Mandat explizit so aus, dass die Preis­sta­bi­lität Vorrang hat. Dies im Unter­schied zur US-Notenbank, für die Preis­sta­bi­lität und Vollbe­schäf­tigung gleich­wertige Ziele sind. Auch im europäi­schen System der Zentral­banken ist die Preis­sta­bi­lität das vorrangige Ziel. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat eine quanti­tative Definition von Preis­sta­bi­lität entwi­ckelt, wonach die Infla­ti­onsrate auf mittlere Sicht unter, aber nahe 2 % liegen soll. Dabei ignoriert die EZB (absichtlich oder unabsichtlich) die Tatsache, dass die Inflation aus struk­tu­rellen Gründen wahrscheinlich längere Zeit auf tieferem Niveau verharren wird. Praktisch alle Noten­banken halten an den alten Denkmustern fest und hätten ihre Infla­ti­ons­ziele schon längst nach unten revidieren müssen. Die Debatte, dass die EZB unter dem Deckmantel des (überhöhten) Infla­ti­ons­ziels andere Ziele verfolgt oder ihr Mandat arg strapa­ziert, ist nicht neu. Ausserdem lässt sich statis­tisch nicht nachweisen, dass eine Infla­ti­onsrate von 1 % schlechter sein sollte, als eine solche von 2 %. Gerade die Schweiz ist gewis­ser­massen ein Parade­bei­spiel dafür, dass eine tenden­ziell tiefe Inflation und starke Währung zu einem hohen Produk­ti­vi­täts­wachstum geführt hat.

Rückkehr in den Krisen­modus ohne Notwendigkeit

Mit den jüngsten Locke­rungs­mass­nahmen der EZB, die eine nochmalige Senkung des Einla­ge­satzes und eine Neuauflage eines Anlei­hen­kauf­pro­gramms umfassen, kehrt die EZB in den Krisen­modus zurück. Und dies obschon sich keine Krise anbahnt: Die neue, europa­freund­liche Koalition in Italien scheint zumindest vorderhand einiger­massen gut zu funktio­nieren, was sich unter anderem in den tiefen Rendi­te­auf­schlägen italie­ni­scher Staats­an­leihen wider­spiegelt. Der Einbruch der Indus­trie­pro­duktion in Deutschland ist zu grossen Teilen den fehlbaren Manage­ment­leis­tungen im Automo­bil­sektor (Abgas­skandal, rückständige Elektri­fi­zierung) geschuldet. Mit dem Nullent­scheid hat die SNB mögli­cher­weise einen ersten Schritt unter­nommen, um mehr Unabhän­gigkeit zu demons­trieren und allmählich von der Wechsel­kurs­po­litik abzurücken. Die Chancen dafür sind gestiegen, zumal das Risiko eines ausufernden Handels­krieges oder eines ungere­gelten Brexits eher im Sinken begriffen ist und der Aufwer­tungs­druck auf den Franken nachlässt.

Grafik Leitzinsen FED, EBZ und BOJ und SNB

Toxische Neben­wirkung der Negativzinsen

Die verzwei­felten Versuche und Experi­mente der Noten­banken, die Inflation anzuheizen, sind im Grunde genommen alle gescheitert. Das im Zuge der Anleihen-Kaufpro­gramme neu geschaffene Noten­bankgeld hat vor allem an den Finanz- und Immobi­li­en­märkten zu infla­tio­nären Tendenzen geführt, wogegen die Kredit­vergabe der Banken mangels Nachfrage bescheiden blieb. Die Manipu­lation der Kapital­ren­diten durch die Noten­banken und die Rendi­tejagd der Inves­toren haben auch zu Verzer­rungen anderer Vermö­gens­werte geführt — mit dem Resultat, dass Risiken nicht mehr adäquat entschädigt werden. Zudem haben die zu tiefen Zinsen zu einem weiteren Wachstum der Schulden geführt. Viele Staaten weisen heute Schul­den­quoten auf, die bei höheren Zinsen nicht mehr tragbar wären. Starke Brems­spuren hinter­lassen die Negativ­zinsen nicht zuletzt auch bei den Vorsor­ge­insti­tu­tionen. Die Renten­kür­zungen werden weiter ins Zentrum politi­scher Debatten rücken. Je länger an den Negativ­zinsen festge­halten wird, desto grösser werden die langfris­tigen volks­wirt­schaft­lichen Schäden, die aus heutiger Sicht noch kaum abschätzbar sind.

Bilanz­ri­siken der SNB

Die SNB hat nicht nur die Zinsen am stärksten gesenkt, sondern mit dem Kauf von Fremd­wäh­rungs­an­lagen auch eine zusätz­liche Form geldpo­li­ti­scher Lockerung geschaffen. Die Bilanz­summe der SNB, die auf der Aktiv­seite haupt­sächlich aus Devisen­re­serven besteht, ist auf über 120 % des BIP gestiegen. Im Unter­schied zur SNB haben die grossen Noten­banken das Buchgeld mit dem Kauf von inlän­di­schen Anleihen geschaffen; vor allem die US-Notenbank und die EZB sind (gemessen am BIP) mit ihren QE-Programmen aber viel weniger weit gegangen als die SNB. Hohe Devisen­re­serven sind grund­sätzlich besser als zu tiefe. Mit exzessiv hohen Devisen­re­serven gehen aber erheb­liche Schwan­kungs­ri­siken in den Erträgen und im Eigen­ka­pital der SNB einher. Die Kantone reiben sich derzeit die Hände und die hohen Gewinne der SNB schaffen Begehrlichkeiten.

Ist der Franken tatsächlich immer noch stark überbewertet?

Grund­sätzlich haben Währungen keinen inneren Wert. Ein Indiz für die relative Bewertung gibt die Kaufkraft­pa­rität, die für den Franken gegenüber dem Euro eine Überwertung von rund 10 % anzeigt. Aussa­ge­kräf­tiger ist aber der handels­ge­wichtete reale Wechselkurs, der die Kaufkraft und die inter­na­tionale preis­liche Wettbe­werbs­fä­higkeit wider­spiegelt. Nach diesem Massstab hat der Franken länger­fristig keine exzes­siven Bewegungen verzeichnet. Seit der Aufhebung der Unter­grenze im Jahre 2015 ist der reale Wechselkurs sogar leicht gesunken. Zudem haben viele Schweizer Unter­nehmen in den letzten Jahren das Währungs­risiko reduziert, weil sie die Produktion teilweise in die Absatz­ge­biete verlagert haben.

Handelsgewichtete Wechselskurse

Aufgrund der aufge­führten Gründe glauben wir, dass die SNB eine schritt­weise Abkopplung von der exzes­siven Geldpo­litik der EZB ins Auge fassen sollte. Zweifellos wird dies viel Zeit in Anspruch nehmen. Vielleicht ist die verhaltene Reaktion des Devisen­marktes auf den Nullent­scheid auch ein Zeichen dafür, dass die Märkte eine unabhän­gigere Geldpo­litik der SNB goutieren.

Bei Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

notablog@rahnbodmer.ch

 

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