Von: Nicole Nussbaumer
Das aktuell geltende Schweizer Erbrecht vermag den heutigen, modernen Formen des Zusammenlebens nicht mehr gerecht zu werden. Aus diesem Grund sah und sieht sich der Gesetzgeber zu einer Revision des Erbrechts veranlasst, wobei sich die angedachten Anpassungen über mehrere Etappen erstrecken. Der erste Revisionsschritt beinhaltet zur Hauptsache die Senkung der Pflichtteile und tritt definitiv per 1. Januar 2023 in Kraft.
Fokus Unternehmenserbrecht
Im Rahmen der familieninternen Nachfolge ergeben sich in der Schweizer Unternehmenslandschaft regelmässig Konflikte zwischen den unternehmerischen Interessen und den Vorgaben des Erbrechts. Die beschlossene Reduktion der Pflichtteile wird zu einer grösseren Flexibilität bei der erbrechtlichen Unternehmensnachfolge führen. Die grösste erbrechtliche Hürde der Unternehmensnachfolge stellt allerdings die Abgeltungspflicht der Pflichtteilsansprüche der Miterben dar. Deshalb steht bei der Erbrechtsrevision als zweiter Schritt die Erleichterung in der Unternehmensnachfolge bei Familienunternehmen im Fokus. Diese Etappe wird der Bundesrat dem Parlament voraussichtlich noch im Verlauf dieses Jahres unterbreiten.
Inhalt des Vorentwurfs
Der Vorentwurf der Unternehmensnachfolge thematisiert die folgende vier Massnahmen:
Integralzuweisung
Der Vorentwurf ermöglicht den Erbinnen und Erben im Rahmen der Erbteilung — und mangels diesbezüglicher Verfügung seitens der Erblasserin oder des Erblassers — ein Recht auf die vollständige Zuweisung, die sogenannte Integralzuweisung, eines Unternehmens. Dies, um die Zerstückelung oder Schliessung von Unternehmen zu verhindern.
Zahlungsaufschub für die Pflichtteilsansprüche
Die Nachfolgeerben haben die Möglichkeit, von den Miterben einen Zahlungsaufschub zu erhalten. Aufgrund der hohen und grundsätzlich sofort fälligen Pflichtteilsansprüche von Nachkommen oder Ehegatten des Erblassers kann der Nachfolgeerbe in Liquiditätsprobleme geraten, wenn weder weitere Mittel aus dem Nachlass noch eigene Mittel zur Abgeltung vorhanden sind. Nur nebenbei sei erwähnt, dass wohl kaum je ein Nachfolgeerbe der Sicherstellungs- und Verzinsungspflicht der gestundeten Ansprüche gerecht werden kann, welche im Zusammenhang mit dieser neuen Stundungsregelung ebenfalls vorgesehen sind.
Anrechnungswert
Als dritte Massnahme werden spezifische Regeln für den Anrechnungswert des Unternehmens festgelegt (durch die Unterscheidung von betriebsnotwendigen und nicht betriebsnotwendigen Vermögensteilen).
Minderheitsanteil gehört nicht zwingend zum Pflichtteil
Viertens erfahren die pflichtteilsgeschützten Erbinnen oder Erben insofern einen zusätzlichen Schutz, als dass ihnen ihr Pflichtteil gegen ihren Willen nicht als Minderheitsanteil an einem Unternehmen abgegolten werden darf, sofern ein anderer Erbe oder Erbin die Kontrolle über dieses Unternehmen ausübt.
Bei Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
notablog@rahnbodmer.ch
Weitere Beiträge von Nicole Nussbaumer